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G 8464

G 8464

Dance Report_​LA Report, 2009
Collage auf Papier
29,7 x 42 cm

Dance is hard to see. (Yvonne Rainer)[1]

Die Collage Dance Report _LA Report kombiniert die Abbildung eines Tanzschuhs mit einem maschinengeschriebenen Konzept sowie mehreren kleinformatigen Abbildungen von geometrischen Formen. Die Signatur der Künstlerin sowie die Datierung der Arbeit sind auf einem Notizkärtchen am rechten unteren Bildrand hinzugefügt.
Das auf dem Foto des Tanzschuhs abgebildete Sandalenriemchen findet in der Reihe der geometrischen Formen sein visuelles Pendant als formale Girlande, wo diese als Kreise in die Fläche zurückgebunden erscheint. Die Collage stellt mit quadratischen, rechteckigen und kreisrunden Formen variantenreiche Bezüge her. Die formalen Verschränkungen verstärken die Bilddynamik und verleihen der Komposition Schwung.
Sehr häufig benützt Carola Dertnig private Fotos, Zeichnungen und Texte für ihre Kunstwerke. Der materialästhetische Ansatz der verschiedenen Bildteile unterstreicht den Charakter eines persönlichen Mappings.
Tanztheater, Körperperformance und Happening spielten besonders in Amerika seit den fünfziger Jahren eine immer gewichtigere Rolle: Zu den Protagonisten gehörten […] Merce Cunningham, die Dancer’s Workshop Company in San Francisco oder die Judson Dance Group in New York City mit Yvonne Rainer, Trisha Brown und vielen anderen. […] Zeitgleich mit den AmerikanerInnen und EngländerInnen trat in Österreich die Wiener Gruppe mit Friedrich Achleitner, Gerhard Rühm & Co. in Erscheinung, die in den sechziger Jahren vom Wiener Aktionismus (Otto Mühl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler und Günter Brus) verstärkt wurde. Sowohl die österreichischen als auch die angloamerikanische Entwicklung konzentrierten sich unübersehbar auf den Körper, auf das Individuum, das dieser Körper ist.“[2]

Die Collage Dance Report_​LA Report entstand parallel zu einer 80-teiligen Diainstallation. Darin werden nacheinander einzelne Worte eingeblendet. Der Rhythmus ihres Aufblinkens, begleitet vom akustischen Signal des Diaprojektors, gleicht einem binären Code von 0 und 1, von leerer Leinwand und eingeblendetem Wort. Der Untertitel Happening is the new kind of dance today (Simone Forti) stellt eine Verbindung zum Tanztheater her. Die Textfragmente sind unterschiedlicher Herkunft, sie stammen zum Beispiel aus Passagen aus Interviews mit Mitgliedern des Judson Dance Theater.
In der Abfolge ihrer Projektion gelesen ergeben die einzelnen Worte ein Gedicht, das einem getakteten Zeitmodus unterliegt. Die Arbeit handelt von performativen Aneignungen in der Sprache durch Montage, Reihung, Wiederholung oder durch das laute Lesen eines Gedichtes bzw. von einer grafischen Aneignung eines Textes.

Kehren wir zum Collagebild zurück: Das Voranschreiten der Performance kann man nicht nur in der dynamischen Anordnung der Bildteile, sondern auch wortwörtlich in dem maschinengeschriebenen Konzept nachvollziehen, in dem zu lesen ist: and a 1 a 2 a 3 a 4 a 5 a 6 a 7 – perform – and a 1 a 2 a 3 …” Diese Handlungsanleitung liest sich wie ein surreales Gedicht der Wiener Gruppe, zeigt aber auch Dertnigs Beschäftigung mit der Sprachphilosophie der französischen Strukturalisten.
In Dertnigs Kunst werden Texte, Bilder, Liveaktionen und Videos gemeinsam auf eine performative Ebene geführt. Die Collagetechnik setzt die Künstlerin dabei als Erzähl- und Dokumentationstechnik des Performativen gleichermaßen ein. Performance und Performativität sind jedoch nicht dasselbe: Wenn die Verschränkung von Performance und Performativität Sinn machen soll, dann dahingehend, dass weder das Unbestimmbare der Performance noch ihre mediale Produktion ihr Wesen sind, sondern erst die Verschränkung dieser beiden Seiten (Performance und Performativität) ermöglicht eine Artikulation, die Besonderes im Augenblick fixiert.“[3]
Diesem Genre widmet sich die Künstlerin seit 2006 auch als Professorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Biografie
1963: geboren in Innsbruck
Lebt in New York und Wien

1990: École des Beaux-Arts Paris
1992: Diplom an der Hochschule für angewandte Kunst Wien
1997/98: Teilnahme am Whitney Independent Study Program in New York
2005/06: Gastprofessur an der Universität für angewandte Kunst Wien
Seit 2006: Leiterin des Fachbereichs Performative Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien
2006: Herausgabe des Buches Let’s twist again. If you can’t think it, dance it. Performance in Vienna from 1960 until today (gemeinsam mit Stefanie Seibold)
2008: Gastprofessorin an der CalArts in Los Angeles
2009/2011: Teilnahme am Forschungsprojekt Performing Knowledge in the Arts
2014: Herausgabe des Buches Performing the Sentence. Views on Research and Teaching in Performance Art (gemeinsam mit Felicitas Thun)

Preise (Auswahl):
2005: Grafikwettbewerb Tirol
2006: Preis der Stadt Wien; Preis der Stadt Innsbruck
2008: Teresa-Bulgarini-Preis
2009: Preis des Landes Tirol
2013: Österreichischer Kunstpreis des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur

Einzelausstellungen (Auswahl):
2003: Strangers – Handlungsräume 6, Salzburger Kunstverein
2004: Equivok, Secession, Wien
2005: Galerie Andreas Huber, Wien
2006: Galerie im Taxispalais, Innsbruck
2008: Galerie Andreas Huber, Wien
2009: CCS-Bard College, New York
2012: Again Audience, Galerie Andreas Huber, Wien

Performances (Auswahl):
2005: Lora Sana, anlässlich der Ausstellung radikal lokal, Tanzquartier, Wien
2009: Dégueulasse, anlässlich der Ausstellung Breathless, Markthalle Landstraße, Wien und im PAF (Performing Arts Forum), St. Erme (F)
Lora Sana, Document CCS-Bard College, New York
Dancereport_​LA Report, Silverman Gallery, San Francisco
2010: Dancereport, Accumulation and other Things …, im Rahmen des Symposiums Performing Memory, Kunstraum Niederösterreich, Wien
… a car …, Liste Basel und anlässlich der Ausstellung Viennafair, Wien
2012: Again audience, anlässlich der Ausstellung Realness Respect, Medienturm Graz
2013: Tacheles Speech, anlässlich der Ausstellung Unrest of Form. Imagining the Political Subject, Secession, Wien

Provenienz
Die Collage ging als Schenkung in den Bestand über. Sie stammt aus dem Besitz der Künstlerin.

Literatur
Silvia Eiblmayr (Hg.), Carola Dertnig. Nachbilder einer ungleichzeitigen Gegenwart. Afterimages of a Non-simultaneous Present, Ausstellungskatalog, Galerie im Taxispalais, Innsbruck, Innsbruck 2006.

Carola Dertnig. Perform Perform Perform, mit Textbeiträgen von Achim Hochdörfer, Christa Benzer und Eva Maria Stadler und einem Gespräch von Carrie Lambert-Beatty mit der Künstlerin, Wien 2011.

Patricia Grzonka, Carola Dertnig. Skeptische Geschichten, in: Parnass, 04/2007, S. 82 – 86.

Ursula Maria Probst, Mothers of Invention – where is performance coming from, in: Kunstforum international, Bd. 169, März – April 2004, S. 300f.

[1] Die amerikanische Choreografin, Tänzerin und Filmemacherin Yvonne Rainer gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des postmodernen Tanzes. […] Rainer gründete 1962 zusammen mit Trisha Brown, Elaine Summers, Meredith Monk und anderen das Judson Dance Theater, das an der Judson Memorial Church in New York auftrat. Die erste Aufführung am 6. Juli 1962 gilt als Geburtsstunde des postmodernen Tanzes. Nach 1970 wandte sich Rainer dem Film zu und führte bei mehreren experimentellen Filmen Regie. 1990 wurde sie als Fellow der MacArthur Foundation ausgezeichnet. Yvonne Rainer lebt und arbeitet in New York City und Los Angeles.“, zit. nach: http://​de​.wikipedia​.org/​w​i​k​i​/​Y​v​o​n​n​e​_​R​ainer (abgerufen am 18.8.2014).
[2] Maria-Luise Angerer, Performance und Performativität, in: DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, hg. v. Hubertus Butin, Köln 2002, S. 241 – 245, hier S. 241.
[3] Ebd., S. 245.

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