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Carola Dertnig, Dance Report_LA Report , 2009

Col­la­ge auf Papier, 29,7×42cm

Dance is hard to see. (Yvonne Rai­ner)1


Die Col­la­ge Dance Report _LA Report kom­bi­niert die Abbil­dung eines Tanz­schuhs mit einem maschi­nen­ge­schrie­be­nen Kon­zept sowie meh­re­ren klein­for­ma­ti­gen Abbil­dun­gen von geo­me­tri­schen For­men. Die Signa­tur der Künst­le­rin sowie die Datie­rung der Arbeit sind auf einem Notiz­kärt­chen am rech­ten unte­ren Bild­rand hinzugefügt.


Das auf dem Foto des Tanz­schuhs abge­bil­de­te San­da­len­riem­chen fin­det in der Rei­he der geo­me­tri­schen For­men sein visu­el­les Pen­dant als for­ma­le Gir­lan­de, wo die­se als Krei­se in die Flä­che zurück­ge­bun­den erscheint. Die Col­la­ge stellt mit qua­dra­ti­schen, recht­ecki­gen und kreis­run­den For­men vari­an­ten­rei­che Bezü­ge her. Die for­ma­len Ver­schrän­kun­gen ver­stär­ken die Bild­dy­na­mik und ver­lei­hen der Kom­po­si­ti­on Schwung.

Sehr häu­fig benützt Caro­la Dert­nig pri­va­te Fotos, Zeich­nun­gen und Tex­te für ihre Kunst­wer­ke. Der mate­ri­al­äs­the­ti­sche Ansatz der ver­schie­de­nen Bild­tei­le unter­streicht den Cha­rak­ter eines per­sön­li­chen Mappings.

Tanz­thea­ter, Kör­per­per­for­mance und Hap­pe­ning spiel­ten beson­ders in Ame­ri­ka seit den fünf­zi­ger Jah­ren eine immer gewich­ti­ge­re Rol­le: Zu den Prot­ago­nis­ten gehör­ten […] Mer­ce Cun­ning­ham, die Dancer’s Work­shop Com­pa­ny in San Fran­cis­co oder die Jud­son Dance Group in New York City mit Yvonne Rai­ner, Tri­sha Brown und vie­len ande­ren. […] Zeit­gleich mit den Ame­ri­ka­ne­rIn­nen und Eng­län­de­rIn­nen trat in Öster­reich die Wie­ner Grup­pe mit Fried­rich Ach­leit­ner, Ger­hard Rühm & Co. in Erschei­nung, die in den sech­zi­ger Jah­ren vom Wie­ner Aktio­nis­mus (Otto Mühl, Her­mann Nitsch, Rudolf Schwarz­kog­ler und Gün­ter Brus) ver­stärkt wur­de. Sowohl die öster­rei­chi­schen als auch die anglo­ame­ri­ka­ni­sche Ent­wick­lung kon­zen­trier­ten sich unüber­seh­bar auf den Kör­per, auf das Indi­vi­du­um, das die­ser Kör­per ist.“2


Die Col­la­ge Dance Report_​LA Report ent­stand par­al­lel zu einer 80-tei­li­gen Dia­in­stal­la­ti­on. Dar­in wer­den nach­ein­an­der ein­zel­ne Wor­te ein­ge­blen­det. Der Rhyth­mus ihres Auf­blin­kens, beglei­tet vom akus­ti­schen Signal des Dia­pro­jek­tors, gleicht einem binä­ren Code von 0 und 1, von lee­rer Lein­wand und ein­ge­blen­de­tem Wort. Der Unter­ti­tel Hap­pe­ning is the new kind of dance today (Simo­ne For­ti) stellt eine Ver­bin­dung zum Tanz­thea­ter her. Die Text­frag­men­te sind unter­schied­li­cher Her­kunft, sie stam­men zum Bei­spiel aus Pas­sa­gen aus Inter­views mit Mit­glie­dern des Jud­son Dance Theater.

In der Abfol­ge ihrer Pro­jek­ti­on gele­sen erge­ben die ein­zel­nen Wor­te ein Gedicht, das einem getak­te­ten Zeit­mo­dus unter­liegt. Die Arbeit han­delt von per­for­ma­ti­ven Aneig­nun­gen in der Spra­che durch Mon­ta­ge, Rei­hung, Wie­der­ho­lung oder durch das lau­te Lesen eines Gedich­tes bzw. von einer gra­fi­schen Aneig­nung eines Textes.

Keh­ren wir zum Col­la­ge­bild zurück: Das Vor­an­schrei­ten der Per­for­mance kann man nicht nur in der dyna­mi­schen Anord­nung der Bild­tei­le, son­dern auch wort­wört­lich in dem maschi­nen­ge­schrie­be­nen Kon­zept nach­voll­zie­hen, in dem zu lesen ist: and a 1 a 2 a 3 a 4 a 5 a 6 a 7 – per­form – and a 1 a 2 a 3 …” Die­se Hand­lungs­an­lei­tung liest sich wie ein sur­rea­les Gedicht der Wie­ner Grup­pe, zeigt aber auch Dert­nigs Beschäf­ti­gung mit der Sprach­phi­lo­so­phie der fran­zö­si­schen Strukturalisten.

In Dert­nigs Kunst wer­den Tex­te, Bil­der, Live­ak­tio­nen und Vide­os gemein­sam auf eine per­for­ma­ti­ve Ebe­ne geführt. Die Col­la­ge­tech­nik setzt die Künst­le­rin dabei als Erzähl- und Doku­men­ta­ti­ons­tech­nik des Per­for­ma­ti­ven glei­cher­ma­ßen ein. Per­for­mance und Per­for­ma­ti­vi­tät sind jedoch nicht das­sel­be: Wenn die Ver­schrän­kung von Per­for­mance und Per­for­ma­ti­vi­tät Sinn machen soll, dann dahin­ge­hend, dass weder das Unbe­stimm­ba­re der Per­for­mance noch ihre media­le Pro­duk­ti­on ihr Wesen sind, son­dern erst die Ver­schrän­kung die­ser bei­den Sei­ten (Per­for­mance und Per­for­ma­ti­vi­tät) ermög­licht eine Arti­ku­la­ti­on, die Beson­de­res im Augen­blick fixiert.“3

Die­sem Gen­re wid­met sich die Künst­le­rin seit 2006 auch als Pro­fes­so­rin an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te in Wien.

Bio­gra­fie

1963:

gebo­ren in Inns­bruck
lebt in New York und Wien


1990:

Éco­le des Beaux-Arts Paris

1992:

Diplom an der Hoch­schu­le für ange­wand­te Kunst Wien

1997/98:

Teil­nah­me am Whit­ney Inde­pen­dent Stu­dy Pro­gram in New York

2005/06:

Gast­pro­fes­sur an der Uni­ver­si­tät für ange­wand­te Kunst Wien

Seit 2006:

Lei­te­rin des Fach­be­reichs Per­for­ma­ti­ve Kunst an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te Wien

2006:

Her­aus­ga­be des Buches Let’s twist again. If you can’t think it, dance it. Per­for­mance in Vien­na from 1960 until today (gemein­sam mit Ste­fa­nie Seibold)

2008:

Gast­pro­fes­so­rin an der CalArts in Los Angeles

2009/2011:

Teil­nah­me am For­schungs­pro­jekt Per­forming Know­ledge in the Arts

2014:

Her­aus­ga­be des Buches Per­forming the Sen­tence. Views on Rese­arch and Tea­ching in Per­for­mance Art (gemein­sam mit Feli­ci­tas Thun)

Prei­se (Aus­wahl)

2005:

Gra­fik­wett­be­werb Tirol

2006:

Preis der Stadt Wien; Preis der Stadt Innsbruck

2008:

Tere­sa-Bul­ga­ri­ni-Preis

2009:

Preis des Lan­des Tirol

2013:

Öster­rei­chi­scher Kunst­preis des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Unter­richt, Kunst und Kultur

Ein­zel­aus­stel­lun­gen (Aus­wahl)

2003:

Stran­gers – Hand­lungs­räu­me 6, Salz­bur­ger Kunstverein

2004:

Equi­vok, Seces­si­on, Wien

2005:

Gale­rie Andre­as Huber, Wien

2006:

Gale­rie im Taxis­pa­lais, Innsbruck

2008:

Gale­rie Andre­as Huber, Wien

2009:

CCS-Bard Col­le­ge, New York

2012:

Again Audi­ence, Gale­rie Andre­as Huber, Wien

Per­for­man­ces (Aus­wahl)

2005:

Lora Sana, anläss­lich der Aus­stel­lung radi­kal lokal, Tanz­quar­tier, Wien

2009:

Dégueu­las­se, anläss­lich der Aus­stel­lung Bre­ath­less, Markt­hal­le Land­stra­ße, Wien und im PAF (Per­forming Arts Forum), St. Erme (F)
Lora Sana, Docu­ment CCS-Bard Col­le­ge, New York
Dancereport_​LA Report, Sil­ver­man Gal­le­ry, San Francisco

2010:

Dan­ce­re­port, Accu­mu­la­ti­on and other Things …, im Rah­men des Sym­po­si­ums Per­forming Memo­ry, Kunst­raum Nie­der­ös­ter­reich, Wien
… a car …, Lis­te Basel und anläss­lich der Aus­stel­lung Vienna­fair, Wien

2012:

Again audi­ence, anläss­lich der Aus­stel­lung Real­ness Respect, Medi­en­turm Graz

2013:

Tache­les Speech, anläss­lich der Aus­stel­lung Unrest of Form. Ima­gi­ning the Poli­ti­cal Sub­ject, Seces­si­on, Wien

Pro­ve­ni­enz

Die Col­la­ge ging als Schen­kung in den Bestand über. Sie stammt aus dem Besitz der Künstlerin.

Lite­ra­tur

Sil­via Eiblmayr (Hg.), Caro­la Dert­nig. Nach­bil­der einer ungleich­zei­ti­gen Gegen­wart. Afterimages of a Non-simul­ta­ne­ous Pre­sent, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Gale­rie im Taxis­pa­lais, Inns­bruck, Inns­bruck 2006.

Caro­la Dert­nig. Per­form Per­form Per­form, mit Text­bei­trä­gen von Achim Hoch­dör­fer, Chris­ta Ben­zer und Eva Maria Stad­ler und einem Gespräch von Car­rie Lam­bert-Beat­ty mit der Künst­le­rin, Wien 2011.

Patri­cia Grzon­ka, Caro­la Dert­nig. Skep­ti­sche Geschich­ten, in: Par­nass, 04/2007, S. 82 – 86.

Ursu­la Maria Probst, Mothers of Inven­ti­on – whe­re is per­for­mance com­ing from, in: Kunst­fo­rum inter­na­tio­nal, Bd. 169, März – April 2004, S. 300f.

  1. Die amerikanische Choreografin, Tänzerin und Filmemacherin Yvonne Rainer „gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des postmodernen Tanzes. […] Rainer gründete 1962 zusammen mit Trisha Brown, Elaine Summers, Meredith Monk und anderen das Judson Dance Theater, das an der Judson Memorial Church in New York auftrat. Die erste Aufführung am 6. Juli 1962 gilt als Geburtsstunde des postmodernen Tanzes. Nach 1970 wandte sich Rainer dem Film zu und führte bei mehreren experimentellen Filmen Regie. 1990 wurde sie als Fellow der MacArthur Foundation ausgezeichnet. Yvonne Rainer lebt und arbeitet in New York City und Los Angeles.“, zit. nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Yvonne_Rainer (abgerufen am 18.8.2014).
  2. Maria-Luise Angerer, Performance und Performativität, in: DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, hg. v. Hubertus Butin, Köln 2002, S. 241–245, hier S. 241.
  3. Ebd., S. 245.

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