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Trautner

Vermehrte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tagesgeschehen. Der Krieg im Vietnam, die Umweltverschmutzung, die ersten Flüge zum Mond Ein Beziehungsdrama enthüllt sich vor unseren Augen. Der aufgeschlitzte Mantel einer Frau mittleren Alters entblößt ihre nackten Brüste, was sie sehr verletzbar macht. Unter dem Mantel ist sie völlig unbekleidet. Ihren Blick, aus dem die Verzweiflung eines vergeblichen Geschlechterkampfes spricht, richtet sie starr auf die geballte Faust ihres Partners. Wer ist der Mann an ihrer Seite? Ihr Vater, ihr Lebensgefährte, eine verlorene Liebe? Sein Gesicht ist mit einem großen X symbolisch ausradiert. Seine Identität spielt offenbar keine Rolle. In großer Deutlichkeit zeigt er uns seine zur Faust geballte Hand. Daumen nach unten – das gilt der Frau neben ihm. Damit drückt er sein Missfallen an ihr aus. Dieser Gestus gerät zu einer starken, unmissverständlichen Metapher für die Unterdrückung der Frauen, für verbale und körperliche Gewalt, die an ihnen nicht nur in den 1970er-Jahren verübt wurde. Auch heute vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in den Medien über Opfer häuslicher Gewalt berichtet wird.


Elfriede Trautner wurde in ihrem kurzen Leben als Künstlerin von einigen Männern sehr bewundert und maßgeblich gefördert. Und gerade sie waren es, die die die ambitionierte Grafikerin als geeignete Mentoren für ihre Kunst erachtete. Die Journalisten Peter Kraft, Otto Wutzel oder Walter Beyer bedachten ihre Werke in ihren Zeitungsberichten mit lobenden Worten. Slavi Soucek und Adolf Frohner unterrichteten sie an der Salzburger Sommerakademie. Der Künstler Otto Staininger war in den 1970er-Jahren im Zentralsekretariat der Sozialistischen Partei tätig und führte die Galerie Junge Generation in Wien. Der Pianist Hans Petermandl, Begründer der OÖ. Stiftskonzerte, war Professor für Musik und darstellende Kunst an der Musikuniversität Wien. Mit beiden tauschte sie sich intellektuell über ihre Kunst aus. Die Ausstellungsmacher Peter Baum, ab 1973 Leiter der Neuen Galerie der Stadt Linz, und der Galerist Wilhelm Koller boten ihr Raum für Ausstellungen. Elfriede Trautner nützte diese wichtigen Kontakte für ihre Kunst, die ihr alles bedeutete. Sie ging proaktiv auf Männer in Machtpositionen zu und fand bestes Einvernehmen mit ihnen. Hingegen finden sich in ihrer Biografie kaum Namen von Frauen. Die oberösterreichische Schriftstellerin Roswitha Reichart bildet hier eine Ausnahme: Von ihr stammen sehr einfühlsame Texte zum Schaffen der Künstlerin. 


Wilhelm Koller verehrte die Künstlerin geradezu. Er war ihr engster Freund und hielt am Grab der im Alter von nur 64 Jahren Verstorbenen eine bewegende Rede. In einem unveröffentlichten Essay charakterisierte er ihre künstlerischen Arbeiten als graphische Ideogramme, geheimnisvolle Verschlüsselungen, Verpuppungen, hinter denen sich spielerische Ernste oder traurige Humore versteckt halten. Kalt in der Radierung. Nur der Stichel vibriert in sensiblen oder strengen ornamentalen Linienzügen und nonfigurativen Geflechten. Elfriede Trautners Kaltnadelradierungen spüren kaltblütig die Fieberkurven unserer Zeit auf. Stimulieren gleichzeitig ästhetische Reize aus realen Trümmerwelten […]“[1]


Elfriede Trautners umfangreiches Œuvre, das auf etwa 500 Zeichnungen in meist sehr niedriger Auflage (bis maximal acht Abzüge) geschätzt werden kann, entstand neben ihrem Büroalltag am Brucknerkonservatorium. Vor allem in der Nacht arbeitete die Künstlerin an ihren Grafiken. Dass Trautner nicht in bedeutenden Grafikmuseen wie der Albertina in Wien ausgestellt wurde, lag vermutlich auch an ihrer Bescheidenheit. Der große Durchbruch gelang ihr trotz ihres Könnens und ihrer einflussreichen Kontakte nicht. Sie blieb eine der Stillen“ des Landes. Ihr Werk wird heute in mehreren Linzer Museen und in Privatbesitz aufbewahrt. Elfriede Trautner gilt wegen ihrer zeitkritischen Themenstellungen und der virtuos beherrschten Kaltnadelradiertechnik als eine der begabtesten Grafikkünstler:innen Österreichs der 1970er- und 1980er-Jahre.

Provenienz

Die Kaltnadelradierung wurde für die Sammlung der Neuen Galerie der Stadt Linz, der Vorgängerinstitution des Lentos, im Dezember 1974 von der Künstlerin erworben.

Biografie

1925:

Elfriede Trautner wird in Auberg bei Haslach geboren. Ihre Mutter, Anna Trautner, war Köchin in Grundlsee, Bad Goisern und Bad Reichenhall. Elfriede Trautner wuchs bei ihren Großeltern auf. Nach der Pflichtschule absolvierte sie die Handelsschule und arbeitete als Bürokraft in der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach.


1946:

Übersiedlung nach Linz, wo sie bis 1949 an der Kunstgewerbeschule von Rudolf Hoflehner und Paul Ikrath unterrichtet wird

Späte 1940er-Jahre Trautner besucht den Maler und Grafiker Hanns Kobinger am Grundlsee, der sie in ihrer künstlerischen Betätigung fördert.


Ab 1950:

Sekretärin am Linzer Brucknerkonservatorium (heute Anton-Bruckner-Privatuniversität)


Ab 1954:

Gasthörerin an der Linzer Kunstschule bei Alfons Ortner und Alfred Billy


Ab 1956:

Die Kaltnadelradierung wird zum wichtigsten Ausdrucksmedium der Künstlerin.


1958, 1959, 1964: 

Teilnahme an der Sommerakademie Salzburg. Besuch von Kursen bei Slavi Soucek. Auseinandersetzung mit der Technik der Lithografie und der Abstraktion


1960:

erste Ausstellungsbeteiligung im OÖ Kunstverein


1961:

Ausstellung in der Linzer Galerie Kliemstein


1962:

Ausstellung im OÖ Kunstverein. Trautner wird als das künstlerische Ereignis“[2] der Ausstellung bezeichnet.


1963:

Ausstellung in der Galerie Junge Generation in Wien


1965:

Förderungspreis des Landes OÖ für Bildende Kunst

sowie die Emanzipationsbewegung der Frauen rücken nun in den Mittelpunkt ihres Schaffens.


1967, 1968:

Ausstellungen in der vom Schriftsteller, Regisseur und Galeristen Wilhelm Koller geführten Galerie forum 67 in der Linzer Badgasse


1968 – 73: 

eigenes Atelier im Egon-Hofmann-Haus im Dörfl in Linz


1968:

Ausstellung in der Galerie Speyer gemeinsam mit Walter Breuer


1969:

Trautner nimmt an einem von Adolf Frohner geleiteten Kurs an der Salzburger Sommerakademie teil.

Einzelausstellung in der Brunner Bank in Luzern


1972:

Ausstellungsbeteiligung in der Jahresausstellung des OÖ Kunstvereins


1973, 1975:

Teilnahme an Malerklausuren in Maria Trost bei Graz. Trautner befasst sich nun mit fernöstlichen Philosophien und Meditationen.


1976:

Ausstellung im Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz

Monografie Andere Zeiten von Kristian Sotriffer über Elfriede Trautner


1978:

Einzelausstellung in der Galerie Hofstöckl, Linz. Die Ausstellung galt als erste Retrospektive der Künstlerin und wurde von Peter Baum, damals Direktor der Neuen Galerie und späterer Gründungsdirektor des Lentos Kunstmuseum, eröffnet. Trautner zieht sich in ihrem künstlerischen Schaffen zusehends in eine innere, sensitiv-vergeistigte Welt zurück. Von den Medien wird ihr ein Platz in der Spitzengruppe der österreichischen Graphiker“[3] eingeräumt.


1980:

Verleihung des Professorinnentitels 

Ausstellungen im OÖ Kunstverein und im Wiener Künstlerhaus


1983:

Ausstellungsbeteiligung bei Künstlerinnen. Österreich – 20. Jahrhundert in der Neuen Galerie der Stadt Linz, der Vorgängerinstitution des Lentos


1984:

Teilnahme an der Ausstellung Paul Ikrath und seine Schüler im Nordico Stadtmuseum


1987:

Verleihung des Landeskulturpreises 

Ausstellungen im Romanischen Keller der Stadt Salzburg und im Linzer Ursulinenhof

Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst


1989:

Elfriede Trautner stirbt am 26. November an den Folgen einer Krebserkrankung.



[1] Wilhelm Koller, Auszug aus Essays und Kritiken, maschinegeschriebenes Manuskript aus dem Nachlass der Künstlerin, o. J., S. 1.

[2] Herbert Lange, Die Damen des OÖ. Kunstvereins“, in: OÖ. Nachrichten, 19.11.1962.

[3] Peter Möseneder, „,Trautner total‘ in der Linzer Galerie im Hofstöckl“, in: OÖ. Nachrichten, Nr. 277, 30.11.1978.

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