Mathilde Ter Heijne
Any Day Now
Die in Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstandene Ausstellung Any Day Now gibt mit wichtigen Arbeiten aus den Bereichen Skulptur, Installation, Video und Fotografie einen Überblick über das Schaffen Mathilde ter Heijnes. Die niederländische Künstlerin, die in Berlin lebt und arbeitet, fasziniert ihr Publikum mit bildstarken Arbeiten zu den Themen Gewalt, Schmerz, kulturelle Rollen und Überlieferungen – aus feministischer Perspektive.
Ter Heijne recherchiert, bringt übersehene und vergessene gesellschaftliche Phänomene ans Licht und eignet sich dabei Erscheinungsweisen des Spektakels und der Unterhaltungsindustrie an. Sound und Licht spielen eine Rolle, lebensgroße Puppen und Körperabgüsse werden eingesetzt, Doppelgängerinnen der Künstlerin selbst.
Auf diese Weise gibt Mathilde ter Heijne mit die Soundinstallation F.F.A.L. (Fake Female Artist Life (2003−2007) fiktiven Künstlerinnen ihre Gestalt und Stimme. Textfragmente aus Büchern wurden in eine Tonkomposition umgewandelt, die von den sechs Dummies gesprochen und gesungen wird. In der Video/Sound-Installation Small things end, great things endure (2001) inszeniert ter Heijne ihren eigenen Flammentod und stellt die Frage nach einer kollektiven Schuld an politischen Verbrechen.
Die Fotoserie der Unknown Women (2010) zeigt Frauenporträts basierend auf historischem Bildmaterial, das die Künstlerin aus Bildarchiven, in Antiquariaten und im Internet zusammengetragen hat. Über das Leben der Unbekannten ist nichts überliefert, jedoch rückt ter Heijne diese durch ihre Arbeit aus der Anonymität und stellt die Frage nach der individuellen und gesellschaftlichen Identität von Frauen. Zugleich thematisiert sie die unsichtbaren Mechanismen einer selektiven Geschichtsschreibung – mit weitgehender Abwesenheit von Frauen.
Ter Heijne hat eine eindrückliche Objektsprache entwickelt, um Aspekte und Phänomene der patriarchal geprägten Gesellschaft zu visualisieren. Doch die Künstlerin beschäftigt sich auch mit Alternativen: Reconstruction of the Zumu of the Qiau Zi Family (2008) ist das künstlerische Ergebnis einer Reise 2007 in den Südosten Chinas. Bis heute lebt dort die Mosuo Minderheit in einer matriarchalen Gesellschaftsordnung, die sich in dem zentralen Begegnungsort des Familienclans, dem Zumu-Holzhaus, widerspiegelt. Eine Kopie eines solchen Holzhauses wird in der Ausstellung gezeigt – zusammen mit The Empire of Women – Not a Fairytale (2007) – ein Comic-Buch zum kostenlosen Mitnehmen, in dem die Geschichte der Künstlerin und ihres Teams erzählt wird, die zum Lugu See reisten um dort einen Teil eines matriarchalischen Hauses zu kaufen.
Ausstellung und Künstlerbuch entstanden in Kooperation mit der Kunsthalle Nürnberg.