Helene Funke, Drei Frauen (ursprünglich Drei Mädchen), 1915
Öl auf Leinwand, 98 x 81 cm
Sammlung Lentos Kunstmuseum Linz, Inv. Nr. 469
Die Drei Frauen sind dunkelhaarige junge Mädchen, die Attribute – eine lila Schale mit oranger Glasur, eine rosa Blume und einen roten Kelch – in den Händen halten. Die Frau im beigem Kleid wirkt stolz, aber auch ein wenig gelangweilt, so als sei sie sich unseres betrachtenden Blickes bewusst. Ihre braun gekleidete Begleiterin schaut mit konzentriertem und leicht abschätzigem Blick über die Schulter. Die Frau in der Mitte schließlich fixiert uns mit ihren magischen Augen.
Weder kennen wir bislang die Dargestellten noch wissen wir, ob ein und dieselbe Person abgebildet ist. Interessanterweise ähneln sich die dunkelhaarigen, schlanken Frauen mit den großen Augen sehr, so dass sie wie drei verschiedene Aspekte ein und derselben Persönlichkeit wirken. Vielleicht hat Helene Funke, die international enge Kontakte zu Malerinnen pflegte, gut vernetzt war, sogar eine Kollegin, die junge Malerin und Sängerin Ruth Wenger (1897 – 1994), die zwischen 1924 und 1927, vor Funkes Freundin Ninon mit Hermann Hesse verheiratet, zeitgleich mit Karl Hofer liiert war, dargestellt? Ein Foto zeigt die damals 18-jährige Konzertsängerin und Malerin. Sie weist überraschende physiognomische Ähnlichkeit mit Funkes rechter Figur des 1915 datierten Gemäldes auf. Jedenfalls ist es eine Frau, die ihre Umwelt selbstbewusst mit wachem Blick beobachtet, und die die höchsten Symbole der Weiblichkeit und des Christentums – Schale und Kelch – mit Würde und Anmut präsentiert.
Die Künstlerin greift ein damals in Wien prominentes Bildthema, das der drei Lebensalter auf: Jugend-Reife-Alter. Die Frauen sehen sich ähnlich, könnten Geschwister sein. Oder sind sie doch ein und dieselbe Person? Die aufblühende Jugend, die Erwachsene mit der Schale und die reifere Frau mit dem Kelch. Kelch wie Schale sind mütterliche Symbole, sie spenden Nahrung, sind das Sinnbild für die frauliche Brust, symbolisieren den weiblichen Schoß.
Gustav Klimt malte bereits 1905 Die drei Lebensalter und gewann 1911 – eine Sensation – den ersten Preis der internationalen Kunstausstellung in Rom. Klimts Figurengruppe wirkt isoliert, in gewisser Weise heimatlos. Funke empfand sich ebenfalls zeitlebens als alleinstehend – wurde sie doch von der großbürgerlichen Familie als Malerin verstoßen. Sie hat als unruhige Wanderin viele Länder bereist, an vielen Orten gelebt und – oft im Verborgenen – gearbeitet.
Funkes Frauen ruhen ganz in sich. Sie präsentieren ihre Attribute oder ihren gesellschaftlichen Status wie einen heiligen Gral, sind umgeben von prächtigen Blumen oder üppigen Früchten. Sie dominieren ihre Bilder, sprengen häufig sogar den Bildrand.