Lovis Corinth, Bildnis Wolfgang Gurlitt, 1917
Sammlung Lentos Kunstmuseum Linz
Öl auf Leinwand, 113 x 90,5 cm
Sammlung Lentos Kunstmuseum Linz, Inv. Nr. 1
Besitzt dieser junge Mann nicht einen unwahrscheinlich durchdringenden Blick? Der Maler Lovis Corinth hat die großen, dunklen Augen durch die kräftige Hell-Dunkel-Modellierung des Gesichts betont. Fast ein wenig düster wirkt das Porträt. Es ist weitgehend auf Schwarz- Weiß-Töne reduziert und kommt fast ohne Buntfarben aus. So lenkt der Maler unsere Wahrnehmung noch stärker auf die Persönlichkeit des Dargestellten, der in seinem eleganten dunklen Anzug in einem Sessel Platz genommen hat. Seine Haltung wirkt selbstsicher und souverän. Blickt er gerade von der Lektüre seiner Tageszeitung auf? Nein, dieser junge Mann ist Kunsthändler und hält in den Händen eine Graphik.
Es ist Wolfgang Gurlitt, genauer gesagt: “Der junge Gurlitt”, wie aus der Signatur des Bildes hervorgeht. Der Maler hat seine Unterschrift auffällig neben dem Gesicht des Dargestellten platziert und altmeisterlich in Latein formuliert: “Lovis Corinth pinxit 1917” – “Lovis Corinth hat es 1917 gemalt”. Wolfgang Gurlitt war damals 29 Jahre alt. Ein Jahr später sollte er die Berliner Kunsthandlung seines Vaters übernehmen, eine bedeutende Avantgardegalerie, die auch Corinth unter Vertrag hatte.
Später wurde Wolfgang Gurlitt zum eigentlichen Begründer des Lentos Kunstmuseums. Denn der Berliner Galerist entschloss sich 1938, seine hochkarätige Sammlung moderner Kunst nach Österreich in Sicherheit zu bringen. Nach dem zweiten Weltkrieg vermachte er sie der Stadt Linz, wo sie den Grundstock unseres heutigen Museums bildet.
Das Gemälde selbst erlebte eine abenteuerliche Geschichte: Ursprünglich hing es in der Berliner Nationalgalerie.
Doch 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten das Bild zusammen mit fünfzehn weiteren Werken Corinths, um es in der Schweiz zu versteigern. Über Umwege gelangte es schließlich zurück in den Besitz Wolfgang Gurlitts und schließlich hierher ins Museum.