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Alice Aycock, Project , 1984

Litho­gra­fie auf Papier

  • Alice Aycock, Project, 1984
  • Alice Aycock, Maze, 1972
  • Alice Aycock, Low Building With Dirt Roof (For Mary), 1973

Die vor­lie­gen­de Zeich­nung zeigt uns eine Land­schaft aus der Vogel­per­spek­ti­ve. Drei geripp­te Kup­peln heben sich dyna­misch vom Boden ab. Sie wir­ken wie flie­gen­de Unter­tas­sen, die auf der Erde gelan­det sind. Ein Schacht führt in das Erdinnere.

Die Ame­ri­ka­ne­rin Ali­ce Aycock, die die­ses Blatt gezeich­net hat, ist eine bekann­te Bild­haue­rin, Kon­zept­künst­le­rin, Zeich­ne­rin und Male­rin. Sie begann bereits in den 1970er-Jah­ren mit der Ent­wick­lung von Envi­ron­ments in länd­li­cher Umge­bung, in Kunst­parks oder Gale­rien. So fan­den Maze (1972) und Dirt Roof (1973) etwa auf einer Farm in Penn­syl­va­nia statt.


Maze bestand aus einem 1,8 m hohen höl­zer­nen Laby­rinth mit einem Durch­mes­ser von 9,7 m. Dirt Roof zeig­te ein 80 cm über dem Boden auf­ra­gen­des Dach aus Holz, Stei­nen und Erde (L: 6 m, B: 3,6 m). Die Arbei­ten waren von anti­ker oder india­ni­scher Tra­di­ti­on inspi­riert, wirk­ten geheim­nis­voll und ver­mit­tel­ten zwie­späl­ti­ge Gefüh­le zwi­schen Gebor­gen­heit und Bedrohung.

Seit Ende der 1970er-Jah­re befasst sich Aycock inten­siv mit Land Art. Eine wich­ti­ge Rol­le in ihrem künst­le­ri­schen Schaf­fen spie­len die Kon­fron­ta­ti­on des Men­schen mit sei­nen Erfin­dun­gen und sein Umgang mit der Natur. Für A Simp­le Net­work of Under­ground Tun­nels (1975) kon­stru­ier­te Aycock sechs durch unter­ir­di­sche Tun­nel mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Schäch­te, die nur so groß waren, dass man hin­durch­krie­chen konn­te.1


In ihren Raum­in­stal­la­tio­nen ver­bin­det Aycock wis­sen­schaft­li­che Aus­drucks­for­men mit sol­chen der Poe­sie, Iro­nie, Fan­ta­sie und Absur­di­tät (u. a. in der Serie The Machi­ne that Makes the World, um 1980). Manch­mal wer­den Tei­le von Leucht­stoff­röh­ren in Was­ser ver­senkt. Glas­stü­cke, ring­för­mi­ge anten­nen- oder ach­ter­bahn­ähn­li­che Ele­men­te, Wind­müh­len, Tur­bi­nen, Pflü­ge, Ven­ti­la­to­ren sowie das for­ma­le Voka­bu­lar moder­ner indus­tria­li­sier­ter Atom­phy­sik und Elek­tro­nik signa­li­sie­ren Dop­pel­bö­dig­keit. Sie fun­gie­ren als Aus­drucks­trä­ger für Bedro­hung, all­täg­li­che Gewalt oder psy­chi­sche Zustände.


Die Zeich­nun­gen Aycocks nähern sich dem For­mat tech­ni­scher Plä­ne, Ent­wür­fe und Kon­struk­ti­ons­an­lei­tun­gen an, ohne jedoch den Anspruch auf Zweck­mä­ßig­keit erfül­len zu müs­sen oder zu wol­len. Häu­fig erin­nern die fein­li­nea­ren, mit geo­me­tri­schen For­men ver­se­he­nen Stu­di­en daher an ima­gi­nä­re Archi­tek­tu­ren, die eine rea­le Umsetz­bar­keit nicht bedin­gen. Auch der hier beschrie­be­nen Zeich­nung liegt eine sol­che Affi­ni­tät zugrunde.

Die Auf­schrift Pro­ject For Three Con­cre­te Cham­bers, Ent­e­red Through An Under­ground Tun­nel klingt wie ein Weg­wei­ser für die Betrach­ten­den: Durch einen Schacht wür­den wir einen Tun­nel errei­chen, der uns sodann zu drei Beton­zy­lin­dern führt. Asso­zia­tio­nen zu Luft­schutz­bun­kern oder ande­ren Sicher­heits­räu­men wer­den geweckt.


Die vor­lie­gen­de Zeich­nung ima­gi­niert ein gebau­tes Ensem­ble, das größ­ten­teils unter der Erde liegt. Doch wie stellt sich die Künst­le­rin die Kup­pel­räu­me kon­kret vor? Hier kann uns die mit inge­nieur­haf­ter Prä­zi­si­on aus­ge­führ­te Zeich­nung nur wenig Erhel­lung brin­gen. Die Span­nung der Kom­po­si­ti­on wird durch eine schein­bar uner­gie­bi­ge oder frag­men­ta­ri­sche Dar­stel­lungs­an­sicht, bedingt durch die Nicht­sicht­bar­keit des unter­ir­di­schen Teils der Anla­ge, evoziert.

Es ist nahe­lie­gend, dass die Künst­le­rin mit Pro­ject auf das Atom­zeit­al­ter und sei­ne laten­ten Gefah­ren für die Mensch­heit anspielt. Aycocks Zeich­nung erweckt den Ein­druck, als erleb­ten wir die Erde nach der fina­len Kata­stro­phe, am Tag danach.

Con­cept Art

Wer­ke der Con­cept Art umschrei­ben das Kunst­werk mit Hil­fe von Tex­ten, Dia­gram­men und Foto­gra­fien bis hin zu Arbei­ten, die nur noch durch gedank­lich asso­zia­ti­ve Pro­zes­se in der Vor­stel­lung des Betrach­ters ver­wirk­licht wer­den kön­nen. Typi­sche Ver­tre­ter die­ser Rich­tung sind Robert Bar­ry, Dou­glas Hue­bler und Law­rence Wei­ner, im wei­te­ren Sinn wer­den aber oft auch Künst­ler wie Dani­el Buren, Han­ne Dar­bo­ven, Jan Dib­bets, Gil­bert & Geor­ge, Richard Long und On Kawa­ra dazu gerech­net.“2

Land Art

In der Land Art wird der natür­li­che oder indus­tri­ell ver­än­der­te Land­schafts­raum zum künst­le­ri­schen Gestal­tungs­ma­te­ri­al gemacht. In den ent­le­ge­nen, unbe­wohn­ten Gebie­ten der Welt – der Saha­ra, der Moja­ve-Wüs­te oder dem kali­for­ni­schen Tro­cken­see von El Mira­ge – hub­en Künst­ler wie Wal­ter de Maria, Mike Hei­zer, Den­nis Oppen­heim und Robert Smit­h­son Grä­ben aus, zogen lan­ge Lini­en mit Kalk über die Erde oder schich­te­ten Fels­bro­cken zu Hau­fen auf­ein­an­der. Die­se ver­gäng­li­che Doku­men­ta­ti­on mensch­li­cher Anwe­sen­heit in einem von Men­schen unbe­rühr­ten, lee­ren, schwei­gen­den, reli­giö­sen‘ Raum ist Pro­test­akt gegen die Künst­lich­keit der moder­nen Groß­stadt­welt, die Metall- und Kunst­stof­f­äs­the­tik in ihrer glat­ten Per­fek­ti­on, aber auch gegen den Uti­li­ta­ris­mus der Kunst‘ (Hei­zer). […] Jede Ver­än­de­rungs­ges­te ist ein ein­fluss­rei­cher Bestand­teil der Bezie­hung zwi­schen Mensch und Umwelt.“3

Pro­ve­ni­enz

Die Gra­fik wur­de der Neu­en Gale­rie der Stadt Linz, der Vor­gän­ger­in­sti­tu­ti­on des Lentos, im Jahr 1984 vom Samm­ler Dr. Hell­mut Czer­ny geschenkt.

Bio­gra­fie

geb. 1946 in Har­ris­burg, Penn­syl­va­nia
lebt in New York


1964 – 1968:

Stu­di­um am Dou­glass Col­le­ge, New Bruns­wick, New Jersey

1968:

Hei­rat mit dem ame­ri­ka­ni­schen Jour­na­lis­ten Mark Segal

1968 – 1971:

Besuch des Hun­ter Col­le­ge, New York bei Robert Morris

1972/73:

Leh­re am Hun­ter College

1974:

Artist-in-Resi­dence am Wil­liams Col­le­ge, Wil­liam­s­town, Massachusetts

1976:

Aycock erhält das Crea­ti­ve Artists Public Ser­vice Grant des N.Y. Sta­te Coun­cil on the Arts

1977, 1987:

Teil­nah­me an der docu­men­ta 6 und 8 in Kassel

1977 – 1982:

Leh­re an der School of Visu­al Arts, New York

1978, 1980, 1982:

Teil­nah­me an der Bien­na­le in Venedig

1982 – 1985:

erneut Leh­re am Hun­ter College

1980:

Fel­low­ship Natio­nal Endow­ment for the Arts

1983:

Facul­ty Rese­arch Grant

1988 – 1992:

Leh­re an der Yale University

1990:

Com­plex Visi­ons – Retro­spek­ti­ve im Storm King Art Cen­ter in Moun­tain­ville, New York

1991 – 1992:

Direk­to­rin der Gra­dua­te Sculp­tu­re Stu­dies an der Yale University

seit 1991:

Unter­richt an der School of Visu­al Arts, New York

2008:

Aycock erhält den Ame­ri­cans for the Arts Public Art Award für Ghost Bal­let for the East Bank Machine­works in Nash­ville, Tennessee

2009:

Aus­stel­lung im Salo­mon Con­tem­pora­ry Wareh­ouse in East Hamp­ton, New York, und in der Fred­ric Snit­zer Gal­le­ry in Miami

2010, 2011 und 2013:

Aus­stel­lung in der Gale­rie Tho­mas Schul­te in Berlin

seit 2010:

Unter­richt am Mary­land Insti­tu­te Col­le­ge of Art in Bal­ti­more. Aycock wird Mit­glied der New York City Design Commission

2014:

Aus­stel­lun­gen im Park Ave­nue Paper Cha­se, Park Ave­nue Malls, New York, Retro­spek­ti­ve der Zeich­nun­gen im Uni­ver­si­ty Art Muse­um der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia, San­ta Bar­ba­ra und im San­ta Bar­ba­ra Muse­um of Art

  1. Vgl. Künstlerbiografien, in: Jeffry Kastner (Hg.), Land und Environmental Art, Berlin 2004, S. 191.
  2. DuMonts Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts – Künstler, Stile, Begriffe, hg. v. Karin Thomas, Köln 2000, S. 221f.
  3. Ebd., S. 232.

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