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Eduardo Paolozzi, Brukner Project – Linz , 1977

Gra­fit auf Papier, Schen­kung des Künstlers

  • Eduardo Paolozzi, Brukner Project – Linz, 1977
  • Hommage à Anton Bruckner, 1977
  • Paolozzi und Gsöllpointner bei der Standortbestimmung von Hommage à Anton Bruckner, 1977
  • Hommage à Anton Bruckner vor dem Linzer Brucknerhaus, 1977

Auf der Zeich­nung Bru­kner Pro­ject1 – Linz sieht man ein block­ar­ti­ges Gebil­de, das sich in den Bild­raum hin­ein ver­kürzt. Die unru­hi­ge Umriss­li­nie des rie­gel­för­mi­gen Gegen­stan­des weist zahl­rei­che Vor- und Rück­sprün­ge auf. Er ähnelt einem gro­ßen Puz­zle­teil oder einem indus­tri­ell fabri­zier­ten Werk­block. Dahin­ter deu­ten par­al­lel geführ­te Lini­en den Donau­strom an, über den sich die Lin­zer VOEST-Brü­cke spannt.

Bru­kner Pro­ject – Linz wur­de bereits 1977 in der Münch­ner Gale­rie Rena­te Fass­ben­der aus­ge­stellt. Wie aus dem Aus­stel­lungs­ka­ta­log2 her­vor­geht, fer­tig­te Pao­loz­zi wei­te­re fünf Zeich­nun­gen die­ses Sujets aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven in Vor­be­rei­tung einer groß­for­ma­ti­gen Plas­tik an. Die mit Hom­mage à Anton Bruck­ner beti­tel­te Guss­ei­sen­plas­tik ent­stand 1977 für das Pro­jekt Forum Metall im Lin­zer Donau­park. Die Initia­to­ren die­ser Frei­licht­aus­stel­lung, die anläss­lich des 3. Bruck­ner­fes­tes ent­wi­ckelt wur­de, waren Hel­muth Gsöll­point­ner, Rek­tor der Lin­zer Kunst­hoch­schu­le, und Peter Baum, Direk­tor der Neu­en Gale­rie der Stadt Linz.


Bereits in den spä­ten 1940er-Jah­ren sam­mel­te Edu­ar­do Pao­loz­zi Zei­tungs­aus­schnit­te, die die auf­kom­men­de Kon­sum­ori­en­tie­rung und die Tech­nik- und Maschi­nen­be­geis­te­rung der west­li­chen Gesell­schaft doku­men­tier­ten. Im Som­mer 1952 ver­an­stal­te­te er im Insti­tu­te for Con­tem­po­ra­ry Arts in Lon­don einen Licht­bil­der­vor­trag mit Covers von Illus­trier­ten oder Sci­ence-Fic­tion-Hef­ten, Mickey Mou­se und Robo­ter, Auto- und Cola-Anzei­gen, Kra­wat­ten- und Kon­ser­ven­re­kla­me, posierende[n] Stars und Star­lets, Monster[n] und Affen, Tech­nik und Träume[n], Wer­bung und Kitsch“3. Pao­loz­zis Dia­show nahm the­ma­tisch gese­hen die berühm­te, 1956 in der Whitecha­pel Gal­lery abge­hal­te­ne Aus­stel­lung This is Tomor­row vor­weg. Die­se epo­cha­le Schau gilt auch heu­te noch als Start­schuss der bri­ti­schen Pop-Art4, zu deren wich­tigs­ten Grün­dern Pao­loz­zi als Mit­glied der renom­mier­ten Inde­pen­dent Group zählt.


Sei­ne in Linz ent­stan­de­ne Hom­mage à Anton Bruck­ner ver­steht sich als Anspie­lung auf das ange­bro­che­ne Tech­nik- und Indus­trie­zeit­al­ter. Der Künst­ler fand aber auch Anre­gun­gen in der Natur, wo ihm die Schich­tung von Gesteins­for­ma­tio­nen beson­ders ins Auge stach. In der Unter­was­ser­welt sah Pao­loz­zi sodann das Ver­trau­te […] mehr und mehr in den Hin­ter­grund zurück[treten]“5. Es fas­zi­nier­te ihn zu beob­ach­ten, wie die Umris­se der ding­li­chen Welt unter Was­ser immer undeut­li­cher wer­den und letzt­end­lich sogar ganz ver­schwin­den. Eine Syn­the­se unter­schied­li­cher Sta­di­en der Wahr­neh­mung erklär­te der Künst­ler schließ­lich zu sei­nem Ziel plas­ti­schen Gestal­tens.6 Für die Umset­zung sei­ner Beob­ach­tun­gen aus Konsum‑, Tech­nik­welt und Natur in Kunst setz­te Pao­loz­zi bereits in den 1970er-Jah­ren die Gestal­tungs­mit­tel der Auf­split­te­rung und Schich­tung von For­men ein. Er erschuf damit eine indi­vi­du­el­le und viel beach­te­te Posi­ti­on inner­halb der west­eu­ro­päi­schen Bild­haue­rei, die ihren pro­mi­nen­ten Nach­fol­ger im zeit­ge­nös­si­schen Dekon­struk­ti­vis­mus fand.


Pao­loz­zi posi­tio­nier­te sei­ne Hom­mage à Anton Bruck­ner eigen­hän­dig vor dem West­flü­gel des Lin­zer Bruck­ner­hau­ses. Das 1974 eröff­ne­te Kon­zert­haus wen­det dem Donau­park sei­ne kon­ve­xe Glas­front zu. Die paneelar­ti­ge Unter­glie­de­rung der Fens­ter­front kor­re­liert for­mal mit den sich staf­fel­ar­tig anhe­ben­den und abfal­len­den Guss­ei­sen­bah­nen von Pao­loz­zis Plastik.


Im Jahr 1984 wur­de die Hom­mage à Anton Bruck­ner, die sich damals noch im Besitz des Künst­lers befand, anläss­lich einer Aus­stel­lung Pao­loz­zis im Len­bach­haus vor der Alten Pina­ko­thek in Mün­chen auf­ge­stellt. Wie stark das Werk inzwi­schen im Wert gestie­gen war, zeig­te sich, als Peter Baum einen Spon­sor für den Ankauf der Plas­tik such­te. Erst zwei Jah­re spä­ter hat­te er die Finan­zie­rung der Eisen­plas­tik, die damals 36.000 £ kos­te­te, durch die Wie­ner Lud­wig-Stif­tung sowie den kos­ten­in­ten­si­ven Rück­trans­port nach Linz gesi­chert. Die Guss­ei­sen­plas­tik konn­te erst im Mai 1986 wie­der an ihrem ange­stamm­ten Platz auf­ge­baut werden.


In Pao­loz­zis Zeich­nung Bru­kner Pro­ject – Linz kann man dem­nach mehr als nur einen Ent­wurf sehen. Die Uni­kat­gra­fik berührt durch die Unmit­tel­bar­keit ihrer Künst­ler­hand­schrift und ihre Aura des Ein­zig­ar­ti­gen. Da die Aus­füh­rung der Plas­tik von der VO­­­EST über­nom­men wur­de, kommt der Zeich­nung die Rol­le eines eigen­hän­di­gen Künst­ler­nach­wei­ses zu. Bru­kner Pro­jekt – Linz ist somit drei­er­lei: eine auto­no­me Hand­zeich­nung, ein künst­le­ri­sches Kon­zept zur Vor­be­rei­tung eines Gus­ses sowie ein Zer­ti­fi­kat, das die Urhe­ber­schaft Pao­loz­zis bekundet.


Neben Pao­loz­zis Eisen­plas­tik wur­den 1977 auch noch ande­re Arbei­ten inter­na­tio­nal renom­mier­ter Künst­ler7 im Lin­zer Donau­park auf­ge­stellt. Sie waren zunächst im Besitz der jewei­li­gen Künst­ler. Man­che Wer­ke wur­den im Anschluss an das forum metall von der ein­hei­mi­schen Wirt­schaft für den Lin­zer Donau­park erwor­ben. Das zunächst tem­po­rär ange­leg­te Pro­jekt forum metall ver­stand sich als Vor­läu­fer eines Frei­licht­mu­se­ums für zeit­ge­nös­si­sche Plas­ti­ken. Die ein­zel­nen Künst­ler tra­ten als Ver­tre­ter ihrer jewei­li­gen Län­der auf, wodurch an den Kunst­bi­en­na­le-Gedan­ken oder an die docu­men­ta8 ange­knüpft wur­de. Um die Bedeu­tung des forum metall in sei­ner inter­na­tio­na­len Aus­rich­tung zu ver­an­schau­li­chen, wähl­te Hel­muth Gsöll­point­ner in einem 1977 gege­be­nen Rund­funk­in­ter­view fol­gen­de For­mu­lie­rung: Das ist so, als wenn die Liz Tay­lor in den Kam­mer­spie­len auf­trä­te oder der Becken­bau­er im Sta­di­on spiel­te.“9

Inde­pen­dent Group

Locke­re Ver­bin­dung von Lon­do­ner Künst­lern, die sich 1952 – 1954 im Insti­tu­te of Con­tem­po­ra­ry Arts zu Dis­kus­sio­nen über das The­ma Volks­kul­tur, mas­sen­pro­du­zier­te Kul­tur wie Film, Rekla­me, Sci­ence-Fic­tion und Pop­mu­sik tra­fen. Ihre Ideen kamen in zwei ent­schei­den­den Aus­stel­lun­gen zum Aus­druck – Par­al­lel of Life and Art (Insti­tu­te of Con­tem­po­ra­ry Arts, 1953) und This is Tomor­row (Whitecha­pel Art Gal­lery, 1956) –, die die eng­li­sche Pop Art ein­lei­te­ten. Wich­ti­ge Mit­glie­der waren der Kri­ti­ker Law­rence Allo­way sowie Richard Hamil­ton, Edu­ar­do Pao­loz­zi und Wil­liam Turn­bull.“10

Pro­ve­ni­enz

Im Zuge der Errich­tung der Skulp­tur Hom­mage à Anton Bruck­ner im Lin­zer Donau­park im Rah­men des Pro­jek­tes forum metall im Jahr 1977 kam die Zeich­nung in den Besitz der Neu­en Gale­rie der Stadt Linz.

Bio­gra­fie

1924:

gebo­ren in Edin­burgh als Sohn ita­lie­ni­scher Eltern

1943:

Stu­di­um am Edin­burgh Col­lege of Art

1944 – 1947:

Stu­di­um an der Sla­de School of Fine Art in London

1944:

Ein­zie­hung zum Roy­al Pio­neer Corps und Ent­las­sung noch im sel­ben Jahr. Besuch der St. Martin’s School of Art in London

1947 – 1949:

Auf­ent­halt in Paris; Begeg­nung mit Con­stan­tin Brân­cuși, Tris­tan Tzara, Alber­to Gia­co­metti und Jean Dubuffet

1949 – 1955:

Dozen­tur für Texil­de­sign an der Cen­tral School of Art and Design in London

1952:

Bunk; Pro­jek­ti­on von Dias in der Inde­pen­dent Group im ICA, London

1953:

Bri­ti­scher Kritikerpreis

1955 – 1958:

Dozen­tur an der St. Martin’s School of Art in London

1956:

Aus­zeich­nung der Wil­liam and Noma Cop­ley Foun­da­ti­on. Teil­nah­me an der Aus­stel­lung This is Tomor­row in der Whitecha­pel Art Gal­lery in London

1960:

Aus­zeich­nung for the best sculp­tor under 45“ der David E. Bright Foundation

1961:

Watson‑F.-Blair-Preis auf der 64th Annu­al Ame­ri­can Exhi­bi­ti­on of Chicago

1960 – 1962:

Gast­pro­fes­sor an der Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te in Hamburg

1967:

Ers­ter Preis für Skulp­tur bei der Car­ne­gie Inter­na­tio­nal Exhi­bi­ti­on of Con­tem­po­ra­ry Pain­ting and Sculp­tu­re in Pittsburgh

1968:

Gast­do­zen­tur an der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia in Ber­ke­ley. Dozen­tur in der Kera­mik­ab­tei­lung des Roy­al Col­lege of Art in London

1974:

Auf­ent­halt in Ber­lin, im Rah­men des Künst­ler­pro­gramms des DAAD

1976:

Gast­pro­fes­sur an der Fach­hoch­schu­le Köln

1977:

Auf­trag für Hom­mage à Anton Bruck­ner für die Aus­stel­lung forum metall in Linz. Aus­stel­lung von Pao­loz­zis Gra­fi­ken in der Lin­zer Gale­rie MAERZ

1977 – 1981:

Pro­fes­sur für Kera­mik an der Fach­hoch­schu­le Köln

1979:

Gestal­tung eines Wand­re­li­efs in Mön­chen­glad­bach. Mit­glied­schaft in der Roy­al Aca­de­my, London

1981:

Pro­fes­sur für Bild­haue­rei an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te in München

1981/82:

Pro­fes­sur für die Meis­ter­klas­se an der Inter­na­tio­na­len Som­mer­aka­de­mie für bil­den­de Küns­te, Salzburg

1986:

Instal­la­ti­on des Holz­re­li­efs On this Island im Eliza­beth-II-Kon­fe­renz­zen­trum, West­mins­ter, London

1989:

Köni­gin Eli­sa­beth II. von Groß­bri­tan­ni­en ernennt Pao­loz­zi zum Rit­ter (Knight Commander)

1991:

The Manu­script of Mon­te Cas­si­no, Bron­ze, Picar­dy Place, Edinburgh

1994:

Pao­loz­zi über­gibt einen Groß­teil sei­nes Werks der Scot­tish Natio­nal Gallery

1994 – 1997:

Bron­ze­sta­tue New­ton After Bla­ke, Auf­stel­lung vor der Bri­tish Libra­ry, London

1999:

Eröff­nung der Dean Gal­lery in Edin­burgh, in der Pao­loz­zis Samm­lung sowie eine Nach­bil­dung sei­nes Ate­liers zu sehen sind

2001:

Pao­loz­zi erlei­det einen bei­na­he töd­li­chen Gehirn­schlag, der ihn an den Roll­stuhl fesselt

2002:

Instal­la­ti­on von drei nach sei­nen Töch­tern benann­ten Glas­fens­tern und einer Glas­ro­set­te in der St. Mary’s Cathe­dral in Edinburgh

2004:

Retro­spek­ti­ve in der Dean Gal­lery, Edinburgh

2005:

gestor­ben in einem Lon­do­ner Krankenhaus

Lite­ra­tur

Peter Baum, Forum Metall Linz, Linz 1978.

Edu­ar­do Pao­loz­zi, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Kest­ner-Gesell­schaft, Han­no­ver 1974.

Edu­ar­do Pao­loz­zi. Holz­re­li­efs, Zeich­nun­gen, Prä­ge­dru­cke, Holz­sti­che 1977, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Gale­rie Rena­te Fass­ben­der, Mün­chen 1977.

Edu­ar­do Pao­loz­zi. Wie­der­kehr der The­men, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Städ­ti­sche Gale­rie im Len­bach­haus, Mün­chen, Muse­um Lud­wig, Köln, Mün­chen 1985.

  1. Der Künstler Eduardo Paolozzi betitelte die Zeichnung mit Brukner Project ‒ Linz, deshalb wurde diese Schreibweise beibehalten. Paolozzi bezog sich aber dessen ungeachtet auf den berühmten oberösterreichischen Komponisten Anton Bruckner (1824-1896).
  2. Vgl. Eduardo Paolozzi. Holzreliefs, Zeichnungen, Prägedrucke, Holzstiche 1977, Ausstellungskatalog, Galerie Renate Fassbender, München 1977.
  3. Wieland Schmid, „Bunk, Bash, Pop – die Graphik von Eduardo Paolozzi“, in: Eduardo Paolozzi, Ausstellungskatalog, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1974, S. 19–21, hier S. 19.
  4. Vgl. Barbara Hess, „Pop Art“, in: DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, hg. v. Hubertus Butin, Köln 2002, S. 245–250, hier S. 246–247.
  5. Diane Kirkpatrick, „Zehn Fragen an Eduardo Paolozzi“, in: Ambit, Nr. 51, London 1972, zitiert nach: Eduardo Paolozzi, Ausstellungskatalog, Kestner-Gesellschaft, Hannover 1974, S. 46.
  6. Vgl. ebd.
  7. Weitere Teilnehmer des forum metall: Herbert Bayer, Max Bill, Mathias Goeritz, Haus-Rucker-Co, Erwin Heerich, Donald Judd, Piotr Kowalski, Bernhard Luginbühl, David Rabinowitch, Günther Uecker, Erwin Reiter und Klaus Rinke.
  8. Reinhold Tauber, „Der Paukenschlag“, in: OÖ Nachrichten, 13.9.1977. Tauber bezeichnete das forum metall als „Klein-Kassel“.
  9. OÖ. Nachrichten, 27.8.1977 in der Rubrik wie man hört, o. S.
  10. DuMonts Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts – Künstler, Stile und Begriffe, hg. v. Karin Thomas. Köln 2000, S. 191.

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