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Ferdinand Andri, Weidelandschaft mit Zaun , 1889

Blei­stift auf Papier, 20,1 x 28,5 cm

Bei einem Spa­zier­gang ent­deckt: ein höl­zer­ner Zaun, ein aus­ge­höhl­ter, quer lie­gen­der Baum­stamm; ein Lich­ter­tep­pich auf dem Wiesengrund.


Quer oblon­ge Papier­for­ma­te heben die erzäh­le­ri­sche Aus­rich­tung des Bild­ge­sche­hens beson­ders her­vor. Fer­di­nand Andri konn­te daher auf die­sem Blatt Papier das vari­an­ten­rei­che Lini­en­spiel des Zau­nes sehr ein­drück­lich dar­le­gen. Die Kom­po­si­ti­on ver­dich­tet sich ent­lang der hori­zon­ta­len Mit­tel­li­nie, wo die Stä­be im Zaun rhyth­misch vor- und zurück­schwin­gen. Das dadurch ent­ste­hen­de Raum­ge­fü­ge läuft in der Fer­ne in ein­zel­ne skiz­zen­haft ange­deu­te­te Lini­en aus. Die hori­zon­ta­len Stä­be des Zau­nes sind an Bäu­men und Sträu­chern, den ver­ti­ka­len Kom­po­si­ti­ons­ele­men­ten im Bild­ge­fü­ge, fest­ge­zurrt. Letz­te­re wer­den nach oben hin nur mehr vage ange­deu­tet und ver­lei­hen der Natur­stu­die den Ein­druck des Nonfinito.

Durch das belaub­te Ast­werk fal­len Licht­strah­len auf den Wie­sen­bo­den. Ein schräg ange­ord­ne­ter aus­ge­höhl­ter Baum­stamm, offen­bar eine Trän­ke für Klein­vieh, ist eben­falls mit Licht und Schat­ten fein model­liert. Andri spart mit sei­nem Zei­chen­stift alles aus, was Bild­licht zum Aus­druck brin­gen soll. Durch die­se Aus­las­sun­gen arbei­tet der Bild­grund an der Kom­po­si­ti­on mit. Dies ent­spricht einer Vor­ge­hens­wei­se, die auch in der Aqua­rell­tech­nik ange­wen­det wird.

Fer­di­nand Andri war erst 18 Jah­re alt, als er Wei­de­land­schaft mit Zaun zeich­ne­te. Er arbei­te­te en plein air, also inmit­ten der Natur, wie es bereits ab den 50er-Jah­ren des 19. Jahr­hun­derts in Frank­reich üblich war.

Andri stu­dier­te damals an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te in Wien bei Edu­ard Peith­ner von Lich­ten­fels. Der bedeu­ten­de öster­rei­chi­sche Künst­ler betrieb an der Aka­de­mie eine Schu­le für Land­schafts­ma­le­rei. Mit sei­nen Stu­den­ten, zu denen neben Andri auch Wil­helm Ber­natz­ik, Edu­ard Zet­sche, Hein­rich Tomec, Hans Wilt, Johann Nepo­muk Gel­ler und Maxi­mi­li­an Sup­pant­schitsch zähl­ten, zeich­ne­te und mal­te Peith­ner von Lich­ten­fels häu­fig in Dürn­stein oder Wei­ßen­kir­chen in der Wachau.

Lini­en und Schraf­fu­ren, ver­dich­tet oder locker auf das Papier gesetzt, geben den visu­el­len Ein­druck wie­der, der sich an Ort und Stel­le Andris Augen bot. In den Abstu­fun­gen von Grau­wer­ten eines Gra­fit­stif­tes und sei­nes Wider­parts, des Bild­trä­gers, wird ein selek­ti­ver Wirk­lich­keits­aus­schnitt auf Papier über­tra­gen. Die Zeich­nung wirkt auch ohne poly­chro­me Aus­füh­rung sehr leben­dig. Das gezeich­ne­te Rea­li­täts­frag­ment ist einem Schwarz-Weiß-Foto ver­gleich­bar, so detail­ge­treu hat Andri das gese­he­ne Stück Natur in sei­ne Zeich­nung über­nom­men. Der Künst­ler ver­such­te das Sujet so wie­der­zu­ge­ben, wie er es vor­fand, ohne inhalt­li­che Neu­schöp­fun­gen oder sym­bol­haf­te Kon­no­ta­tio­nen. Andris frü­he Wer­ke sind daher vom Stil des Natu­ra­lis­mus geprägt.

Der öster­rei­chi­sche His­to­ri­ker und ehe­ma­li­ge Kul­tur­amts­di­rek­tor des Lan­des Nie­der­ös­ter­reich, Karl Gut­kas, betont in sei­ner Wür­di­gung Fer­di­nand Andris die Unbe­fan­gen­heit und Ursprüng­lich­keit von Andris frü­hen Zeich­nun­gen“1, die die­ser in sei­nen spä­te­ren Wer­ken kaum mehr erreich­te. Die vor­lie­gen­de Natur­stu­die besticht jeden­falls durch eben die­se Unbe­fan­gen­heit und Ursprüng­lich­keit eben­so wie durch Andris zeich­ne­ri­sches Können.

Natu­ra­lis­mus

Meint die natur­ge­treue Dar­stel­lung des Sicht­ba­ren. Eine zen­tra­le Rol­le wur­de dem Natu­ra­lis­mus im 19. Jahr­hun­dert zuteil, als ihn die bür­ger­li­che Kunst als Gegen­satz zum Idea­lis­mus begriff. Die Zufäl­lig­kei­ten des All­täg­li­chen wur­den ohne jeg­li­che Sti­li­sie­rung gegen idea­li­sie­ren­de und heroi­sie­ren­de Rich­tun­gen der grün­der­zeit­li­chen Kunst eingesetzt.

Bio­gra­fie

Fer­di­nand Andri wur­de am 1. März 1871 in Waid­ho­fen an der Ybbs gebo­ren. Sein Vater stamm­te aus Kitz­bü­hel, sei­ne Mut­ter aus St. Pöl­ten. Die Fami­lie über­sie­del­te bald nach sei­ner Geburt nach Maria Taferl, wo der Vater mit der Ver­gol­dung der Altä­re der Wall­fahrts­kir­che beschäf­tigt war. Fer­di­nand Andri besuch­te die Volks­schu­le und das Unter­gym­na­si­um in St. Pöl­ten. Als er 13 Jah­re alt war, kam er zum Holz­schnit­zer Johann Kepp­lin­ger nach Ottens­heim in die Leh­re. Andri hat im Lau­fe sei­nes Lebens immer wie­der mit Holz als Werk­stoff gearbeitet.

Von 1886 bis 1888 war Andri in Inns­bruck, wo er die Staats­ge­wer­be­schu­le besuch­te. Neben Holz­schnit­ze­rei wur­de dort auch Model­lie­ren, Gips­gie­ßen und Malen unter­rich­tet. Ab 1888 besuch­te Andri die all­ge­mei­ne Mal­schu­le unter Juli­us Ber­ger an der Wie­ner Aka­de­mie. Zu sei­nen Leh­rern zähl­ten der Land­schafts­ma­ler Edu­ard Peith­ner von Lich­ten­fels (1833 – 1913) und der His­to­ri­en- und Por­trät­ma­ler August Eisen­men­ger (1830 – 1907). Bereits 1890, im Alter von 19 Jah­ren, erhielt Fer­di­nand Andri sei­ne ers­te Aus­zeich­nung, den Lam­pi-Preis der k. u. k. Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te Wien.

1891 ging Andri nach Karls­ru­he und wur­de Schü­ler des Malers Claus Mey­er, der sich auf hol­län­di­sche Sit­ten­bil­der spe­zia­li­siert hat­te. 1894/95 ist Andri Ein­jäh­rig-Frei­wil­li­ger im k. & k. Dra­go­ner­re­gi­ment des Fürs­ten von Liech­ten­stein in Gali­zi­en. 1896 wird er zum Leut­nant in Reser­ve ernannt. Nach Wien zurück­ge­kehrt, nahm er mit sei­nen in Gali­zi­en ent­stan­de­nen Bil­dern an der Jah­res­aus­stel­lung des Künst­ler­hau­ses teil.

1899 trat der Künst­ler der Wie­ner Seces­si­on bei, deren Prä­si­dent er von 1905 bis 1909 war. Im glei­chen Jahr stell­te er erst­mals in der Wie­ner Seces­si­on aus.
Die Welt­aus­stel­lung 1904 in St. Lou­is, Mis­sou­ri, die soge­nann­te Loui­sia­na Purcha­se Exhi­bi­ti­on, brach­te Andri gro­ße Bekannt­heit. Er schmück­te den öster­rei­chi­schen Pavil­lon mit einem 240 m² gro­ßen Wand­fres­ko. Den Groß­teil der Jah­re 1907 bis 1914 ver­brach­te Andri in Süd­ti­rol. Im Ers­ten Welt­krieg war er Offi­zier und Kriegs­ma­ler in Mon­te­ne­gro, Alba­ni­en, Gali­zi­en, Dal­ma­ti­en und an der Alpen­front in Südtirol.

Nach dem Krieg wur­de Andri Pro­fes­sor für Male­rei an der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te in Wien, ab 1932 hat­te er die Lei­tung der Meis­ter­schu­le für Wand­ma­le­rei inne. 1945 wur­den Ate­lier und Woh­nung Andris zer­stört. Bei dem Bom­ben­an­griff ver­lor die Ehe­frau des Künst­lers, die Male­rin Char­lot­te Ham­pel, ihr Leben. In sei­nen zahl­rei­chen Stu­di­en und Gen­re­bil­dern hat Fer­di­nand Andri das Leben und die Tra­di­tio­nen der nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Bau­ern fest­ge­hal­ten. 1950 über­nahm die Stadt St. Pöl­ten Andris Œuvre, das jetzt Teil des Stadt­mu­se­ums St. Pöl­ten ist. Der Künst­ler starb am 19. Mai 1956 in Wien.


Wer­ke Fer­di­nand Andris befin­den sich neben dem genann­ten St. Pölt­ner Muse­um im Lentos Kunst­mu­se­um Linz, in meh­re­ren Wie­ner Muse­en, u. a. im Bel­ve­de­re, im Leo­pold-Muse­um, in der Gra­fi­schen Samm­lung der Alber­ti­na, im Muse­um für ange­wand­te Kunst, im His­to­ri­schen Muse­um der Stadt Wien und im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um. Dar­über hin­aus ver­fü­gen auch das NÖ Lan­des­mu­se­um in St. Pöl­ten sowie die Ber­li­ner Natio­nal­ga­le­rie über Wer­ke des Künstlers.

Pro­ve­ni­enz

Die Zeich­nung wur­de 1977 im Wie­ner Doro­the­um erworben.

Ver­wen­de­te Literatur

Auf­bruch der Moder­ne. Meis­ter­wer­ke aus der Samm­lung Leo­pold, hg. v. der Leo­pold Muse­um Pri­vat­stif­tung, Wien 2000.

Fer­di­nand Andri. 1871 – 1956, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, NÖ. Lan­des­mu­se­um, St. Pöl­ten, Neue Fol­ge Nr. 126, Wien 1982.

Bern­hard Peith­ner-Lich­ten­fels (Hg.), Fer­di­nand Andri, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Gale­rie Peith­ner-Lich­ten­fels, Wien 1980.

  1. Gutkas, Karl: Professor Ferdinand Andris Lebensweg, In: Ferdinand Andri. 1871 – 1956. Katalog des NÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 126. Wien 1982, S. 48.

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