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Herbert Ploberger, Fünf Figuren zu „Florian Geyer“ , 1933

Deck­far­ben auf Papier, 27,8 x 38,2 cm

Die Deck­far­ben­zeich­nung zeigt fünf Figu­ren, die sich anein­an­der fest­hal­ten. Jede dar­ge­stell­te Figur wur­de eigens beschrif­tet. Ein Musi­kan­ten­paar mit Dudel­sack und Har­fe führt den Zug an. Sei­ne Klei­dung wirkt derb und ärm­lich. Ein kräf­tig gebau­ter jun­ger Mann und sei­ne Mut­ter, die eine Ket­te mit Kreuz­an­hän­ger und einen Stock trägt, fol­gen. Ein blin­der Mönch in ärmel­lo­ser Kut­te reiht sich hin­ten an. Der skiz­zen­haf­te Cha­rak­ter der Zeich­nung erklärt sich aus dem Feh­len jeg­li­cher Hintergrundgestaltung.

Wie auf der Rück­sei­te des Blat­tes ver­merkt, han­delt es sich bei der Zeich­nung um eine Kos­tüm­stu­die für das his­to­ri­sche Revo­lu­ti­ons­dra­ma Flo­ri­an Gey­er. Die Tra­gö­die des Bau­ern­krie­ges. Das Dra­ma ent­stand nach einem Werk von Ger­hart Haupt­mann und wur­de 1896 am Deut­schen Thea­ter in Ber­lin unter der Regie von Max Rein­hardt urauf­ge­führt. Max Rein­hardt brach­te Flo­ri­an Gey­er erst wie­der 1933 im Wie­ner Burg­thea­ter zur Auf­füh­rung. Her­bert Plober­ger lie­fer­te für die­se Insze­nie­rung die Kostüme.


Die his­to­ri­sche Figur Flo­ri­an Gey­er war ein frän­ki­scher Reichs­rit­ter und Trup­pen­füh­rer im Dienst des Her­zogs in Preu­ßen. Er über­nahm im Bau­ern­krieg 1525 die Füh­rung der Tau­ber­bau­ern und unter­stütz­te die Orga­ni­sa­ti­on des Bau­ern­hee­res. Sein Ziel war eine Reichs­re­form mit einer Besei­ti­gung der geist­li­chen und ade­li­gen Vor­rech­te. Die mora­li­sche Grund­la­ge bil­de­te Luthers Leh­re. Flo­ri­an Gey­er wur­de nach der Nie­der­la­ge der Bau­ern bei Ingol­stadt im Gram­schat­zer Wald bei Würz­burg von zwei Knech­ten sei­nes Schwa­gers Wil­helm von Grum­bach aus­ge­raubt und ersto­chen. Der hel­den­haf­te Rit­ter galt bereits in Fried­rich Engels Werk Der deut­sche Bau­ern­krieg von 1870 als Vor­kämp­fer des Pro­le­ta­ri­ats. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten benann­ten die 8. SS-Kaval­le­rie­di­vi­si­on der Waf­fen-SS nach ihm. Auch in der Namens­ge­bung des Grenz­re­gi­ments 3 der DDR fand die Figur des Bau­ern­an­füh­rers ihren Niederschlag.


Her­bert Plober­ger befass­te sich zunächst mit Male­rei und gilt als öster­rei­chi­scher Ver­tre­ter der Neu­en Sach­lich­keit. Er wand­te sich ab den spä­ten 1920er-Jah­ren immer mehr den The­men Büh­nen­bild und Kos­tüm­ent­wurf zu. Plober­ger berei­te­te die Aus­stat­tung für die Faust-Auf­füh­rung bei den Salz­bur­ger Fest­spie­len 1933 unter der Regie von Max Rein­hardt. Er gestal­te­te dafür das büh­nen­ge­rech­te Modell der Faust-Stadt in der Fel­sen­reit­schu­le und die gesam­ten Kos­tü­me.1


Als Plober­ger die Ent­wür­fe zu Flo­ri­an Gey­er anfer­tig­te, hat­te der kunst­sin­ni­ge Maler ver­mut­lich Pie­ter Brue­gels d. Ä. Blin­den­sturz (Museo di Capo­di­mon­te, Nea­pel) vor Augen. Das berühm­te Gemäl­de ent­stand 1568, also ein paar Jahr­zehn­te nach dem Bau­ern­krieg in Deutschland.


Wäh­rend Brue­gels Figu­ren eine Dia­go­na­le von links oben nach rechts unten bil­den, zie­hen Plober­gers Prot­ago­nis­ten in gera­der Linie von rechts nach links. Ange­führt vom Dudel­sack­blä­ser mit dem krum­men Bein drän­gen die Dar­stel­ler aus dem Bild hin­aus. Zu den Klän­gen der Musik schie­ben sie sich nach vorn und sind soeben dabei, den Bild­raum zu ver­las­sen. Die cha­rak­te­ris­ti­sche Arm­hal­tung, das Sich-anein­an­der-Fest­hal­ten sowie die geschlos­se­nen Augen der Prot­ago­nis­ten auf Plober­gers Blatt wer­den erst durch die Ver­ge­gen­wär­ti­gung von Brue­gels Blin­den­sturz ver­ständ­lich. Plober­gers Inspi­ra­ti­ons­su­che bei die­sem Werk ver­weist bereits auf den unheil­vol­len Aus­gang des Dra­mas Flo­ri­an Geyer.


Das frän­ki­sche Bau­ern­heer hat­te letzt­end­lich kei­ne Chan­ce. Sein Anfüh­rer Flo­ri­an Gey­er ver­zich­te­te frei­wil­lig auf ein Leben in Luxus und stand für den Kampf der Schwä­che­ren ein, was er teu­er mit sei­nem Leben bezah­len muss­te. Die Wahl des Stücks für das Wie­ner Burg­thea­ter lässt den beson­de­ren Zeit­geist der 1930er-Jah­re erah­nen. Mit Hit­lers Reichs­kanz­ler­schaft begann am 30. Janu­ar 1933 der Weg in die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Diktatur.

Bio­gra­fie

1902:

am 6. April in Wels als Sohn des Leder­fa­bri­kan­ten Wil­helm Otto Plober­ger und des­sen Frau Marie geboren

1915:

Ein­tritt in das Staats­gym­na­si­um Linz

1920:

Matu­ra

1920 – 1925:

Stu­di­um an der Kunst­ge­wer­be­schu­le Wien bei den Pro­fes­so­ren Adolf Böhm, Franz Cizek und Vik­tor Schufin­sky. Die Kunst­ge­wer­be­schu­le blieb ohne beson­de­ren Ein­fluss auf sei­nen Stil der Neu­en Sach­lich­keit. Sie war eher eine rein aka­de­mi­sche Ausbildung

1921:

bezieht sein ers­tes Ate­lier in Wien

1925:

gestal­tet wäh­rend eines Stu­di­en­auf­ent­hal­tes in Paris deko­ra­ti­ve Male­rei­en für Pavil­lons der Weltausstellung

1926:

ers­te Aus­stel­lung in der Gale­rie Würth­le in Wien

1927:

Arbeit als Büh­nen­bild­ner am Coli­se­um Theat­re in Lon­don, wo Ten­den­zen zur Kunst der Neu­en Sach­lich­keit durch­drin­gen. Über­sied­lung nach Ber­lin. Betei­li­gung an der Aus­stel­lung Die neue Sach­lich­keit in der Gale­rie Neu­mann-Nie­ren­dorf und an der Herbst­aus­stel­lung der Aka­de­mie der Küns­te. Plober­ger über­nimmt Auf­trä­ge für Por­träts und Gebrauchs­gra­fi­ken und assis­tiert dem Kos­tüm- und Büh­nen­bild­ner Ernst Stern bei Film­pro­duk­tio­nen und an den Reinhardtbühnen

1929:

Teil­nah­me an der Aus­stel­lung Neu­ro­man­tik und neue Sach­lich­keit in Ober­ös­ter­reich im Lin­zer Landesmuseum

1933:

der Archi­tekt Cle­mens Holz­meis­ter holt Plober­ger an die Wie­ner Staats­büh­nen und zu den Salz­bur­ger Fest­spie­len. Kos­tüm­aus­stat­tung zu Goe­thes Faust für die Salz­bur­ger Festspiele

1933 – 1934:

Büh­nen­bild­ner für die Film­ge­sell­schaf­ten Ufa, Ter­ra, Tobis und Prag-Film. Plober­ger ent­wirft Kos­tü­me für Hans Albers, Lil Dago­ver, Johan­nes Hee­sters, Paul Hör­bi­ger, Bri­git­te Hor­ney, Bern­hard Minet­ti, Mari­ka Rökk oder Ade­le Sandrock

1939 – 1945:

Plober­ger arbei­tet an ca. zwan­zig Fil­men mit, u. a. Opern­ball (1939) mit Paul Hör­bi­ger und Hans Moser, Das Herz der Köni­gin (1940) mit Zarah Lean­der und Will Quad­flieg oder Kora Ter­ry (1940) mit Mari­ka Rökk

1940:

hei­ra­tet Isa­bel­la Hartl aus Wels, die sich durch ihre Mit­ar­beit an Leni Rie­fen­stahls Opern­ver­fil­mung Tief­land bald einen Namen als Film­ar­chi­tek­tin macht

1943:

durch einen Flie­ger­an­griff wird Plober­gers Ate­lier in Ber­lin-Gru­ne­wald zer­stört. Der Groß­teil sei­ner Wer­ke wird durch einen Brand vernichtet

1944/45:

Bil­der über das zer­stör­te Ber­lin ent­ste­hen. Nach dem Kriegs­en­de ist Plober­ger am Lan­des­thea­ter Linz, in Ham­burg und Mün­chen als Büh­nen­bild­ner tätig

1946:

geht nach Wien, um am Thea­ter an der Josef­stadt zu wirken

1948:

über­sie­delt nach Hamburg

1950:

über­sie­delt nach Mün­chen. Der Schwer­punkt sei­ner Tätig­keit liegt in den 1950er-Jah­ren beim deut­schen Kino­film, spä­ter beim deut­schen Fernsehen

1959:

Arbeit bei den Salz­bur­ger Festspielen

1960 – 1962:

Arbeit am Wie­ner Burgtheater

1977:

erliegt am 22. Jän­ner in Mün­chen einem Lungenleiden

2002:

Her­bert Plober­ger. Zum 100. Geburts­tag. Male­rei – Gra­phik, Aus­stel­lung im Nordico Muse­um der Stadt Linz

Pro­ve­ni­enz

Die Gra­fik wur­de 1966 aus Wie­ner Pri­vat­be­sitz erworben.

Ver­wen­de­te Literatur

Her­bert Plober­ger zum 100. Geburts­tag. Male­rei – Gra­phik, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Lebens­spu­ren Muse­um der Sie­gel und Stem­pel, Wels, Nordico Muse­um der Stadt Linz, Linz 2002.

Bir­git Kirch­mayr (Hg.), Kul­tur­haupt­stadt des Füh­rers. Kunst und Natio­nal­so­zia­lis­mus in Linz und Ober­ös­ter­reich, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Schloss­mu­se­um Linz, Wei­tra 2008.

  1. Bei den Salzburger Festspielen lernte er u. a. Luis Trenker kennen, der ihn in der Folge für Filme wie Der verlorene Sohn und Der Berg ruft engagierte. Vgl. Herbert Ploberger zum 100. Geburtstag. Malerei – Graphik, Ausstellungskatalog, Lebensspuren Museum der Siegel und Stempel, Wels, Nordico Museum der Stadt Linz, Linz 2002, S. 40.

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