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Karl Schmidt-Rottluff, Wald , 1923

Krei­de­stif­te und Blei­stift auf Papier, 52 x 39 cm

Lentos Kunst­mu­se­um, Inv. Nr. G 2‑S; Stif­tung Prof. Paul und Gre­te Neurath, Wien, 2004

Die Zeich­nung führt uns in einen ver­schnei­ten Win­ter­wald. Durch das dich­te Gehölz schlän­gelt sich Weg mit ver­eis­ten Fahr­rin­nen. Das Braun des Weges fin­det sich in zwei Baum­stäm­men wie­der. Die Äste der aus­la­den­den Nadel­bäu­me schwin­gen dyna­misch in meh­re­re Rich­tun­gen, wodurch Plas­ti­zi­tät evo­ziert wird. Kon­tras­tie­ren­de, beson­ders expres­si­ve, graue Stri­che cha­rak­te­ri­sie­ren den Schnee und die Eises­käl­te des Winters.

Zunächst arbei­te­te Karl Schmidt-Roff­luff, des­sen Name sich von sei­nem Wohn­ort Rottluff in der Nähe von Chem­nitz ablei­tet, an expres­si­ven Land­schaf­ten im Nord­see­bad Dan­gast. Im Unter­schied zu den meist noch tonal gebun­de­nen Bil­dern sei­ner Künst­ler­freun­de geht Schmidt-Rottluff in der Kom­bi­na­ti­on von leuch­ten­den Pri­mär­far­ben am wei­tes­ten. Anre­gun­gen des Kubis­mus nimmt der deut­sche Maler ab 1912 in Akt­bil­dern und Häu­ser­an­sich­ten auf sowie in den seit 1914 ent­stan­de­nen Por­träts und Gen­re­bil­dern. Har­te, kan­ti­ge For­men prä­gen fort­an auch sei­ne Zeich­nun­gen und Holzschnitte.


Das vor­lie­gen­de Blatt ist 1923 ent­stan­den. Schmidt-Rottluff unter­nimmt in die­sem Jahr mit den Bild­hau­ern Richard Schei­be und Georg Kol­be eine Rei­se nach Ita­li­en. Die ver­stärk­te Hin­wen­dung zur Objekt­kunst schlägt sich auch in den Zeich­nun­gen nie­der. Sie führt zu einer stär­ker plas­ti­schen Behand­lung des Bild­ge­gen­stan­des, was sich in unse­rer Zeich­nung am beson­ders kräf­ti­gen Zei­chen­strich der Bäu­me zeigt. 


Die Zeich­nung Wald wur­de am lin­ken und rech­ten unte­ren Rand datiert und signiert. Links unten schei­nen die Initia­len K u. E“ auf: K[arl] + E[my]“. Emy Frisch (1884−1975) stamm­te eben­falls aus Chem­nitz und wur­de sehr früh mit den Grün­dungs­mit­glie­dern der Brü­cke bekannt. Seit 1919 war sie mit Karl Schmidt-Rottluff ver­hei­ra­tet. Ver­mer­ke in der lin­ken unte­ren Bil­de­cke ver­wei­sen zudem auf eine Schen­kung an die Ham­bur­ger Kunst­his­to­ri­ke­rin Rosa Scha­pi­re (1874−1954). Vom Künst­ler freund­schaft­lich Ro genannt, wird Scha­pi­re bereits 1907 als pas­si­ves Mit­glied in der Künst­ler­grup­pe Brü­cke auf­ge­nom­men. Sie erstellt ein Werk­ver­zeich­nis der Arbei­ten Schmidt-Rottluffs. Der Künst­ler wie­der­um fer­tigt Zeich­nun­gen, Gemäl­de, Schmuck­stü­cke, Möbel und Klei­der für sie an. Wald erhielt sie als Weih­nachts­ge­schenk von ihm. 1911, 1915 und 1919 arbei­tet Schmidt-Rottluff an Por­träts Rosa Scha­pi­res. Der 1915 ent­stan­de­ne Holz­schnitt Bild­nis R. S. (Rosa Scha­pi­re) befin­det sich eben­falls seit 2004 in der Samm­lung des Lentos Kunstmuseums. 


Bei­de Zeich­nun­gen sind Teil einer umfang­rei­chen Schen­kung des berühm­ten Sozio­lo­gen Paul Mar­tin Neurath (1911−2001) und sei­ner Frau Gre­te. Neurath gilt als einer der wich­tigs­ten Ver­tre­ter der moder­nen empi­ri­schen Sozi­al- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­schung. Er grün­de­te das Lazars­feld-Archiv an der Fakul­tät Sozio­lo­gie und Poli­tik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Wien, das er bis zu sei­nem Tod im Jahr 2001 lei­te­te. Sei­ne früh ver­stor­be­ne Mut­ter, die Schrift­stel­le­rin und Lyri­ke­rin Anna Scha­pi­re-Neurath (1877−1911), war Rosa Scha­pi­res jün­ge­re Schwester. 


Zum Jah­res­wech­sel 2022/23 haben wir für die Serie Zu scha­de für die Lade Karl Schmidt-Rottluffs Zeich­nung Wald aus­ge­wählt, weil sie im kom­men­den Jahr einen run­den Geburts­tag fei­ern wird. Wir möch­ten Ihnen damit ein fro­hes Weih­nachts­fest und alles Gute für 2023 wünschen!


Pro­ve­ni­enz

Die Zeich­nung stammt aus dem Besitz von Paul Mar­tin und Gre­te Neurath. Sie kam im April 2004 als Schen­kung in den Bestand des Lentos Kunstmuseum.


Bio­gra­fie

1884:
Karl Schmidt-Rottluff wird in Rottluff bei Chem­nitz als Sohn eines Müh­len­be­sit­zers geboren


1905-06:
Archi­tek­tur­stu­di­um an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le Dres­den, Mit­be­grün­der der Künst­ler­grup­pe Brü­cke gemein­sam mit Ernst Lud­wig Kirch­ner, Fritz Bleyl und Erich Heckel


1907-12:
Som­mer­auf­ent­hal­te in Dangast


1911:
Umzug nach Ber­lin; Betei­li­gung an der Son­der­bund-Aus­stel­lung in Köln


1913:
Auf­lö­sung der Brü­cke


1915 – 18:
als Armie­rungs­sol­dat im Krieg in Litau­en und Russland


1918 – 21:
Mit­glied im Arbeits­rat für Kunst; Mit­ar­bei­ter der Zeit­schrift Die Akti­on


1932 – 43:
Som­mer- und Herbst­auf­ent­hal­te in Rumbke am Leba­see (poln. Łebs­ko)


1931 – 33: 

Mit­glied der Preu­ßi­schen Aka­de­mie der Künste


1933:
Beschlag­nah­mung sei­ner Wer­ke in deut­schen Muse­en als Ent­ar­te­te Kunst


1943:
Umzug nach Rottluff


1946:
Rück­kehr nach Berlin


1947 – 54:
Pro­fes­sor an der Hoch­schu­le für Bil­den­de Künste


1976:
stirbt in Berlin


Ver­le­ger und Her­aus­ge­ber: © Lentos Kunst­mu­se­um Linz

Für den Inhalt ver­ant­wort­lich: Bri­git­te Reutner-Doneus

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