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Meret Openheim, Nachthimmel mit Achaten , 1971

Farb­li­tho­gra­fie (Auf­la­ge: 48/100), 80,2 x 63,5 cm

Lentos Kunst­mu­se­um, Inv.-Nr. G 5399

Wie ein Traum­bild begeg­net uns die Druck­gra­fik der Künst­le­rin Meret Oppen­heim: Abs­trak­te Ele­men­te auf brau­nem Hin­ter­grund ver­tei­len sich in einer aus­ge­wo­ge­nen Bild­kom­po­si­ti­on über das Blatt. Die geo­me­tri­schen und kris­tal­li­nen For­men, teils durch­zo­gen von fein ver­äs­tel­ten Lini­en, die an Wur­zeln oder gar Blut­ge­fä­ße erin­nern, tre­ten in zar­ten Beige- und Rot­tö­nen in den Vor­der­grund. Nacht­him­mel mit Acha­ten beti­telt Oppen­heim ihr 1971 ent­stan­de­nes Werk und gibt damit einen Hin­weis auf die Deu­tung des Dar­ge­stell­ten. Die Litho­gra­fie lässt sich dem Spät­werk der Künst­le­rin zuord­nen, in dem uns Wol­ken sowie kos­mi­sche Stern- und Pla­ne­ten­kon­stel­la­tio­nen immer wie­der in unter­schied­li­chen Aus­for­mun­gen begeg­nen.[1]


Meret Oppen­heim wur­de 1913 in Ber­lin gebo­ren und wuchs mit ihrer Fami­lie in der Schweiz auf. Bis zu ihrem Tod 1985 ent­stand ein umfas­sen­des künst­le­ri­sches Werk, das Gemäl­de, Gra­fi­ken, Skulp­tu­ren und Assem­bla­gen bis hin zu Gedich­ten, Mode und Möbel­stü­cken umfasst. Viel­fach wird die Künst­le­rin im Kon­text des Sur­rea­lis­mus rezi­piert: 1932 zog Oppen­heim für ein Kunst­stu­di­um in die Metro­po­le Paris. Dort stand sie bis 1937 in regen Aus­tausch mit sur­rea­lis­ti­schen Künstler*innen wie Max Ernst, Man Ray, Dora Maar, Alber­to Gia­co­metti oder Leo­nor Fini, an deren Sei­te sie mehr­mals aus­stell­te. 1936 kauf­te Alfred H. Barr, Direk­tor des Muse­um of Modern Art in New York, Oppen­heims pelz­über­zo­ge­ne Tee­tas­se, die heu­te als eines der wich­tigs­ten Objek­te des Sur­rea­lis­mus gilt. Der Erfolg des Werks begrün­de­te ihren Ruf als sur­rea­lis­ti­sche Künst­le­rin – eine Zuschrei­bung, der sie sich Zeit ihres Lebens ver­wehr­te und der sie mit ihrem Spät­werk entgegenarbeitete. 


Nach Oppen­heims Rück­kehr in die Schweiz und einer bis 1954 anhal­ten­den künst­le­ri­schen Schaf­fens­kri­se ent­stand eine Viel­zahl neu­er Wer­ke, unter ande­rem Nacht­him­mel mit Acha­ten. In jenen Jah­ren ent­wi­ckel­te die Künst­le­rin eine indi­vi­du­el­le Mytho­lo­gie mit einem auto­no­men For­men­vo­ka­bu­lar, das sich wie ein roter Faden durch ihr Schaf­fen zieht. Die Natur nimmt dabei eine beson­de­re Rol­le ein und ist für die Künst­le­rin eine rich­tungs­wei­sen­de, ver­än­dern­de Kraft, die es erlaubt, Din­ge neu zu den­ken.[2]


Oppen­heim führ­te Zeit ihres Lebens ein Traum­ta­ge­buch. Die Fas­zi­na­ti­on für das Geträum­te und Unter­be­wuss­te war einer der Grün­de, wes­halb die Surrealist*innen sie als eine Ver­bün­de­te im Geis­te sahen. Immer wie­der dien­te ihr die flüch­ti­ge Mate­rie des Traums als Fun­dus ihrer gat­tungs­über­grei­fen­den künst­le­ri­schen Pro­duk­ti­on. Im Jän­ner 1971, dem Ent­ste­hungs­jahr von Nacht­him­mel mit Acha­ten notier­te die Künst­le­rin darin:


Aus dem Fels ragen sehr gro­ße, dicke dunk­le Kris­tal­le (Rauch­quarz). Über­all sieht man klei­ne Dru­sen, sie sehen aber eher wie gro­ße Him­bee­ren aus, weiß­lich oder gold­far­ben. In einer die­ser Dru­sen oder Kris­tal­le (sie ste­hen kon­vex gewölbt aus dem Stein), blinkt es hell von innen her­aus. Ich hal­te das Ohr an den Fels. Ganz lei­se hört man innen im Fels das Klop­fen eines Ham­mers.“[3]


Die Gra­fik ent­stand in einer Zeit, als Meret Oppen­heims künst­le­ri­sches Schaf­fen inter­na­tio­nal erneut in den Fokus rück­te. 1967 erfolg­te die ers­te gro­ße Retro­spek­ti­ve im Moder­na Museet in Stock­holm. 1982 betei­lig­te sie sich an der docu­men­ta 7 in Kas­sel. Oppen­heim nimmt mit ihrem umfas­sen­den, teils hete­ro­ge­nen Werk eine bedeu­ten­de Stel­lung inner­halb der männ­lich domi­nier­ten Kunst­ge­schich­te des 20. Jahr­hun­derts ein. Stets auf ihre künst­le­ri­sche und indi­vi­du­el­le Unab­hän­gig­keit bedacht, schrieb sie 1975 anläss­lich der Ver­lei­hung des Base­ler Kunst­prei­ses: Die Frei­heit wird einem nicht gege­ben, man muss sie neh­men.“[4] 1985 ver­starb die Künst­le­rin mit 72 Jah­ren in der Schweiz.

Tech­nik

Die Druck­gra­fik Nacht­him­mel mit Acha­ten wur­de in einer Auf­la­ge von 100 Stück in Basel ange­fer­tigt. Eine Litho­gra­fie (auch Stein­druck) ist ein Flach­druck­ver­fah­ren, das auf dem Prin­zip basiert, dass Was­ser und Fett sich absto­ßen. Dabei wird das Motiv mit fett­hal­ti­ger Tusche oder Krei­de auf eine spe­zi­ell prä­pa­rier­te Stein­plat­te gezeich­net. Anschlie­ßend wird die Plat­te ange­feuch­tet: Die fet­ti­gen Berei­che sto­ßen das Was­ser ab, wäh­rend die nicht gezeich­ne­ten Flä­chen es auf­neh­men. Beim Auf­tra­gen der Druck­far­be bleibt die­se nur an den fet­ti­gen Stel­len haf­ten, wodurch sich das Bild sei­ten­ver­kehrt auf das Papier über­trägt. Für jeden Farb­ton wird eine eige­ne Druck­plat­te benötigt.


Pro­ve­ni­enz

Die Neue Gale­rie der Stadt Linz, heu­te Lentos Kunst­mu­se­um, erwarb das Werk im April 1990 in der Gale­rie Renée Zieg­ler, Zürich.

Text: Sarah Jonas, 2025

Lite­ra­tur

[1] Vgl. Gar­de­ner, Belin­da Grace, Stern­bil­der, Wol­ken­bil­der. Meret Oppen­heims Form­ge­bung des Wan­del­ba­ren, in: Levy, Tho­mas, Meret Oppen­heim. Gedan­ken­spie­gel – mir­rors of the mind, Bie­le­feld 2013, 41.

[2] Vgl. Baur, Simon, Meret Oppen­heim Geheim­nis­se. Eine Rei­se durch Leben und Werk, Zürich 2021, 110.

[3] Vgl. Oppen­heim, Meret, Auf­zeich­nun­gen 1928 – 1985: Träu­me, Bern 1986, 60.

[4] Oppen­heim, Meret, Rede anläss­lich der Über­ga­be des Kunst­prei­ses der Stadt Basel 1974 am 16. Jän­ner 1975, zitiert nach: Eipel­dau­er, Hei­ke / Brug­ger, Ingried / Sie­ver­nich, Gere­on, Meret Oppen­heim. Retro­spek­ti­ve, Wien/​Berlin 2013, 270.

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