Zum Hauptinhalt springen
Broncia Koller-Pinell, Bildnis Therese Coudenhove (Vorstudie zum Ölbild) , um 1895

Farb­krei­de auf Papier, 100×65 cm

Die Zeich­nung ent­stand als Vor­stu­die zu einem Gemäl­de, das sich eben­falls im Besitz des Lentos befin­det. Weder Gemäl­de noch Zeich­nung wur­den signiert, was dar­auf hin­weist, dass die Künst­le­rin sie als nicht fer­tig ansah. Ver­gleicht man Zeich­nung und Gemäl­de, so wird ein mar­kan­ter Unter­schied in der Gestal­tung des Hin­ter­grun­des deut­lich. Wäh­rend in der Vor­zeich­nung im rech­ten obe­ren Eck ein hel­les Recht­eck sicht­bar ist, befin­det sich im Gemäl­de exakt hin­ter dem Haupt der Dar­ge­stell­ten eine gel­be recht­ecki­ge Flä­che, die einem Fens­ter ähnelt. Die­se Flä­che rahmt den Kopf der Frau und bil­det einen star­ken Kon­trast zu ihren dunk­len Haa­ren. Auch ihr Man­tel und die Hals­ket­te sind gelb durch­wirkt. Die Kom­po­si­ti­on schafft im Zusam­men­spiel der gel­ben Akzen­te leb­haf­te Ver­bin­dun­gen von Vor­der- und Hin­ter­grund. Im Ver­gleich zur Gra­fik wur­de die Frau­en­fi­gur im Gemäl­de sym­me­tri­scher ange­ord­net. Die leich­te Seit­wärts­nei­gung des Kop­fes, die der Per­son in der Zeich­nung Spon­ta­nei­tät ver­leiht, wur­de im Gemäl­de nivel­liert. Ernst und bei­na­he trau­rig blickt uns die Frau aus dem Bild entgegen.

Die Dar­ge­stell­te heißt The­re­se (nach ande­ren Quel­len The­re­sia) Cou­den­ho­ve, geb. Blu­men­cron. Sie stammt aus einem alten Adels­ge­schlecht, das im Banat (heu­te Rumä­ni­en) und in Böh­men behei­ma­tet war. Baro­nin Cou­den­ho­ve scheint in den all­ge­mein zugäng­li­chen Adels­ge­nea­lo­gien nicht auf. Es gibt jedoch drei Namens­er­wäh­nun­gen ihrer Per­son in Zei­tun­gen des spä­ten 19. Jahr­hun­derts und aus dem Jahr 1920.
Dem­nach wur­de sie am 11. Sep­tem­ber 1843 im böh­mi­schen Murá­ny als Toch­ter von Robert Frei­herr von Blu­men­cron, Herr auf Hareth, Stra­nitz, Grün­thal und Deutsch-Zlat­nik, und der Frei­frau Maria von Blu­men­cron, geb. Rad­vá­ny de Alsó-Nemes-Lak, gebo­ren. Ihr Vater war K.u.k.-Generalmajor. Im Jahr 1872 hei­ra­te­te sie Karl Frei­herr von Cou­den­ho­ve, der den Beruf eines Kom­man­dan­ten und Haupt­manns aus­üb­te. Karl von Cou­den­ho­ve starb am 18. Okto­ber 1890.1

Die Wit­we soll – dem Wie­ner Amts­blatt zufol­ge – im Mai 1896 einen Schuld­schein über 27 Akti­en der Böh­mi­schen West­bahn à 200 fl., also über einen Wert von ins­ge­samt 5.400 Gul­den, ver­lo­ren haben.2 Dies wären nach heu­ti­ger Umrech­nung etwa 55.000 Euro. Zwei Jah­re ist sie offen­sicht­lich, wohn­haft in der Eli­sa­beth­str. 20 im 1. Wie­ner Gemein­de­be­zirk, unter Kura­tel gestellt wor­den. Als Begrün­dung dafür wird in der Reichs­post vom 14. Juli 1898 Geis­tes­ge­stört­heit“ ange­führt. Als Vor­mund wur­de ihr Baron Árpárd Blu­men­cron (1838 – 1900), K.u.k.-Hauptmann außer Dienst, zur Sei­te gestellt. Die­ser war ver­mut­lich der älte­re Bru­der The­re­ses. Baro­nin Cou­den­ho­ve ver­starb am 7. Jän­ner 1920.


Das Gemäl­de wur­de bis dato auf um 1905 datiert. Zieht man jedoch die nun vor­lie­gen­den Zei­tungs­be­rich­te in Betracht, so ergä­be sich eine frü­he­re Datie­rung, wohl um 1895. Dafür spre­chen auch die bio­gra­fi­schen Anga­ben von Bron­cia Kol­ler-Pinell. Gemein­sam mit ihrem Bru­der Fried­rich Pin­eles, einem gefrag­ten Inter­nis­ten am All­ge­mei­nen Kran­ken­haus, war sie häu­fig im Haus der Wie­ner Frau­en­recht­le­rin Rosa May­re­der ein­ge­la­den. Dort lern­ten sie die Schrift­stel­le­rin und Psy­cho­ana­ly­ti­ke­rin Lou Andre­as-Salomé ken­nen, die sich bald in Fried­rich ver­lieb­te. Bron­cia Kol­ler-Pinell war damals schon als Por­trät­ma­le­rin gefragt. 1891 mal­te sie die Wie­ner Frau­en­recht­le­rin Julie Schle­sin­ger. Im Hau­se May­re­der könn­te Bron­cia Pinell auch The­re­ses Cou­den­ho­ves Bekannt­schaft gemacht haben.

Im Kreis der Bruck­ne­ria­ner“ (Hugo Wolf, Fritz Eck­stein, Josef und Franz Schalk) hat­te die Male­rin 1890 den Wie­ner Arzt und Phy­si­ker Dr. Hugo Kol­ler ken­nen­ge­lernt. Im Jahr 1896 hei­ra­te­ten die bei­den. Sie über­sie­del­ten nach Hal­lein, da Hugo Kol­ler in der Zel­lu­lo­se­fa­brik Gol­ling eine Anstel­lung als Chef­che­mi­ker fand. Das Gemäl­de von The­re­se Cou­den­ho­ve müss­te also noch vor der Über­sied­lung in das Bun­des­land Salz­burg ange­fer­tigt wor­den sein. Auch ist es wenig wahr­schein­lich, dass Baro­nin Cou­den­ho­ve nach ihrem schwe­ren finan­zi­el­len Rück­schlag, also nach 1896, noch ein Por­trät von sich in Auf­trag gab. Der finan­zi­el­le Eng­pass und die anschlie­ßen­de ver­meint­li­che Geis­tes­krank­heit der Dar­ge­stell­ten könn­ten aber ein Grund dafür gewe­sen sein, wes­halb Kol­ler-Pinell das Gemäl­de letzt­end­lich nie fertigstellte.

Die Kunst­his­to­ri­ke­rin Sieg­lin­de Baum­gart­ner ver­fass­te 1989 ihre Dis­ser­ta­ti­on über Bron­cia Kol­ler-Pinell. Dar­in erwähnt sie, dass auch die Toch­ter Sil­via ein auf 1928 datier­tes Gemäl­de von The­re­se Cou­den­ho­ve gemalt hat.3 Dies ver­an­lasst die Autorin dazu, das Por­trät Bron­cia Kol­ler-Pinells eben­falls auf 1928 zu datie­ren. Dem ist jedoch zu wider­spre­chen, da The­re­se Cou­den­ho­ve bereits 1920 verstarb.


Die Pro­ve­ni­enz führt für das Gemäl­de in die Wie­ner Gale­rie nächst St. Ste­phan, die Gra­fik stammt aus dem Wie­ner Kunst­han­del. Rupert Kol­ler, der Sohn der Künst­le­rin, ver­kauf­te nach dem Tod sei­ner Mut­ter vie­le Kunst­wer­ke, dar­un­ter ver­mut­lich auch die­ses Gemäl­de und sei­ne Vor­zeich­nung.
Dem­nach wären die bei­den Wer­ke bis zum Tode Bron­cia Kol­ler-Pinells in ihrem Ate­lier ver­blie­ben. Es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass Sil­via Kol­ler ein im Ate­lier zurück­ge­blie­be­nes Gemäl­de ihrer Mut­ter kopier­te und dann ent­spre­chend datier­te. Was als neu­sach­lich ein­ge­stuft wur­de, ist dem­nach eher der Skiz­zen­haf­tig­keit eines unvoll­ende­ten Wer­kes geschul­det.
Lan­ge Zeit konn­te das Rät­sel um die unbe­kann­te Baro­nin nicht gelüf­tet wer­den. Durch die nun auf­ge­tauch­ten Zei­tungs­be­rich­te kommt etwas Licht in ihre Vita. Die Bild­nis­se von The­re­se Cou­den­ho­ve wer­den dazu bei­tra­gen, auch in Zukunft über ihr Leben zu for­schen und viel­leicht noch mehr über die unglück­li­che Baro­nin in Erfah­rung zu bringen.

Pro­ve­ni­enz


Die Farb­krei­de­zeich­nung wur­de 1982 aus Wie­ner Pri­vat­be­sitz erwor­ben. Die Pro­ve­ni­enz führt in den Wie­ner Kunst­han­del zurück. 


Bio­gra­fie

1863:

gebo­ren in Sanok am San, Gali­zi­en, als Toch­ter des Fes­tungs­bau­meis­ters Saul Pineles

1870:

die Fami­lie über­sie­delt nach Wien

1881:

ers­ter Mal­un­ter­richt bei Josef Raab und Alo­is Delug

1885:

Besuch der Pri­vat­schu­le von Lud­wig Her­te­rich in Mün­chen. Ers­te Ver­su­che in der Freilichtmalerei

1890:

Rück­kehr nach Wien, wo sie im Wie­ner Künst­ler­haus mit dem Bild Sonn­tag bei der Groß­mutter debütiert

1893:

Aus­stel­lung im Glas­pa­last in München

1894:

Aus­stel­lung im Künst­ler­haus Wien

1896:

Hei­rat mit dem Che­mi­ker und Kunst­mä­zen Hugo Koller

1896/98:

Geburt der Kin­der Rupert in Hal­lein und Sil­via in Nürnberg

1900:

Kol­ler-Pinell erlernt in Nürn­berg die Radier­tech­nik bei Lud­wig Kühn

1903:

Rück­kehr nach Wien. Betei­li­gung an den Bestre­bun­gen der um Klimt ver­sam­mel­ten Grup­pe Kunst­schau, mit der Kol­ler-Pinell auch ausstellt

1904:

Über­nah­me des Fami­li­en­gu­tes in Ober­wal­ters­dorf, das zu einem Künst­ler­treff­punkt wird

1905:

die Freund­schaft zu Kolo­man Moser, Josef Hoff­mann und Gus­tav Klimt inten­si­viert sich

1908/09:

Teil­nah­me an der Kunst­schau und der Inter­na­tio­na­len Kunst­schau in Wien

1918:

Egon Schie­le por­trä­tiert Bron­cia Kol­ler-Pinells Ehe­mann Dr. Hugo Kol­ler und zeich­net Rupert und Sil­via Kol­ler. Bron­cia malt das Ehe­paar Schie­le, das sich im August in Ober­wal­ters­dorf erholt


1919:

Aus­stel­lung mit der Künst­ler­ver­ei­ni­gung Der Was­ser­mann in Salzburg

1921:

Hei­rat des Soh­nes Rupert mit Anna Mah­ler, der Toch­ter Gus­tav und Alma Mahlers

1924:

der deut­sche Maler Carl Hofer besucht Ober­wal­ters­dorf und por­trä­tiert Bron­cia Koller-Pinell

1928:

Teil­nah­me an der Aus­stel­lung in der Münch­ner Secession

1934:

gestor­ben am 24. April in Oberwaltersdorf

1983:

Aus­stel­lung in der Neu­en Gale­rie der Stadt Linz gemein­sam mit Eri­ka Gio­van­na Kli­en, Bir­git Jür­gens­sen, Elfrie­de Traut­ner und Bar­ba­ra Pflaum

Ver­wen­de­te Literatur


Boris Man­ner (Hg.), Bron­cia Kol­ler (1863 – 1934), Wien 2006.

Künst­le­rin­nen. Öster­reich – 20. Jahr­hun­dert, Aus­stel­lungs­ka­ta­log, Neue Gale­rie der Stadt Linz, Linz 1983.

Sieg­lin­de Baum­gart­ner, Bron­cia Kol­ler-Pinell. 1863 – 1934. Eine öster­rei­chi­sche Male­rin zwi­schen Dilet­tan­tis­mus und Pro­fes­si­on. Mono­gra­phie und Werk­ver­zeich­nis, Diss., Uni­ver­si­tät Salz­burg, Salz­burg 1989.

  1. Wiener Salonblatt, Nr. 2, 24. Jänner 1920, S. 6.
  2. Amtsblatt zur Wiener Zeitung, Nr. 110, S. 702, Dienstag, den 12. Mai 1896.
  3. Sieglinde Baumgartner, Broncia Koller-Pinell. 1863–1934. Eine österreichische Malerin zwischen Dilettantismus und Profession. Monographie und Werkverzeichnis, Diss., Universität Salzburg, Salzburg 1989, S. 116.

Diese Website verwendet Cookies um das Nutzererlebnis zu verbessern. Mehr dazu